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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Seine Tochter, das jüngste Kind, saß lebenslänglich in einem Gefängnis südlich von Sevilla, verurteilt für den Mord an einem Hauptmann der Guardia Civil vor fünf Jahren. Arregui war der Meinung, gute baskische Kinder herangezogen zu haben, die ihm Ehre gemacht hatten.
    Ich hielt an und stieg, fast mit der aufgehenden Sonne, die an diesem feuchten, nebligen Morgen heraufkroch, mit steifen Beinen und einem flammenden Hintern vom Motorrad. Das klickende Sieden des abkühlenden Motors war der einzige Laut im Morgenlicht, in dem der Nebeldunst wie ein grauer Flickenteppich auf den gemähten Wiesen lag. Der Schlüssel war wie immer unter dem Krug an der Hintertür verborgen. Ich schloß auf. Das Haus war noch warm von der Tageshitze, die wie eine Bettdecke über den baskischen Bergen liegen kann. Es war ganz still, aber ich spürte Amelias und Maria Luisas Duft.
    Auf dem Küchentisch lag Strickzeug, als ob Amelia nur schnell nach oben oder kurz zu Arregui gegangen wäre. In der Ecke stand Maria Luisas Puppenhaus, und auf dem Tisch am Kamin lag ein Stapel Kinderbücher. Ich sah ihr Regenzeug und ihre Lieblingsschirme und den ewigen Kalender, auf dem Amelia Geburtstage und andere feste Feiertage eingetragen hatte. Am Kühlschrank hafteten mit kleinen Magneten Postkarten, Merkzettelchen, eine von Maria Luisas Zeichnungen und ein Foto ihrer besten Freundin in Madrid. Die Magneten hatten Gesichter wie Tiere in Märchenbüchern. Wir hatten sie im letzten Sommer an einem Kiosk in San Sebastian gekauft.
    Ich ging wieder hinaus, nahm meinen Schlafsack vom Motorrad, rollte ihn auf der Holzveranda aus, die wir um das ganze Haus herum gebaut hatten, und schlief auf der Stelle ein, im Kopf das Gefühl des Verlustes, das Bild der schwarzen Landstraße und das Geräusch des Motorrads, enervierend wie eine Motorsäge in einem todgeweihten Wald.
     
    Ich erwachte aus einem unangenehmen Traum, in dem Amelia und ich wie Silberlöffel im Futteral in der Schublade lagen, als ihr weicher, warmer Körper sich allmählich in ein Skelett verwandelte, und doch konnte ich meine Arme nicht von ihr nehmen, obwohl ich von Grauen gepackt war.
    Arregui hockte vor mir. Neben ihm saß einer seiner großen, wuscheligen Hirtenhunde. Der andere hütete die Herde, die oben am Hang weidete. Ich hörte die Glocke des Widders. Arregui hatte ein breites, fast viereckiges Gesicht, das von kleinen, feinen Falten durchfurcht war. Die Haut war lederbraun und das Haar weiß, dicht und kurz geschnitten. Die Augen waren fast schwarz, so wie die Zähne, die sich von den Selbstgedrehten verfärbt hatten, die er den lieben langen Tag rauchte.
    »Hola! Pedro«, sagte er mit seiner schnarrenden, tiefen Stimme.
    » Buenas dias, Arregui«, sagte ich und setzte mich schlaftrunken auf.
    »Es gibt keine Gespenster im Haus«, sagte er.
    »Kann sein.«
    »Die Toten tun niemandem etwas zuleide. Ich habe eine Nacht im Haus gewacht. Ihre Seelen, Dank sei Gott, haben Frieden gefunden.«
    »Kann sein.«
    »Trinken wir einen Kaffee«, sagte er und ging ins Haus, wo ich ihn Feuer im Herd machen hörte. Wir hatten einen Wasserkocher, aber er war ein altmodischer Mann. Der Hund kam zu mir, und ich kraulte ihm zerstreut die Ohren, während die Sonne über die höchsten Berge stieg und ihren goldenen, warmen Strahl über die schwarzen und weißen Schafe warf, die friedvoll weideten. Morgentau glitzerte auf dem Chrom der Honda und bildete auf den Grashalmen kleine Perlen.
     
    Er brachte Kaffee mit Zucker und warmer Milch in zwei großen Bechern, dazu Brot und seinen eigenen Schafskäse, und wir aßen, während er ein wenig über seine Tiere und das Wetter redete, das nie so war, wie er es haben wollte. Bauernschnack, der meine zerfransten Nerven beruhigte. Ich fragte nach Tómas und seiner inhaftierten Tochter. Sie lebten, sagte er. Das Leben, das Gott für sie gewählt hatte. Der eine hatte seinen Kampf gekämpft, und er hatte verstanden, daß er nicht mehr kämpfen wollte. Die Tochter war nur eine in jener langen Reihe von Märtyrern, die für Euskadis Freiheit gefochten hatten. Ich hatte darüber nie mit ihm diskutiert und wollte auch jetzt nicht damit anfangen. Beide Kinder, sagte er, seien gesund und munter, und mit Geduld und Gottes Wille würde er sie beide zurückerhalten.
    Er verabschiedete sich mit Würde und nahm seinen Rucksack, den er an die Veranda gestellt hatte. Darin waren Brot, Wein und Käse, und vermutlich würde er weiter oben auf dem Berg schlafen, was er oft tat,

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