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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Zeit.«
    »Ich möchte Sie gern sehen.«
    »Ich bin nicht in Madrid«, sagte ich.
    Mein Auto stand an einer Stelle, wo eine kleine Schotterstraße, die über die Felder führte, abrupt an zwei Felsblöcken endete.
    Sie war nicht mehr als ein löcheriger Feldweg. Der Hirt, den ich bei meiner Ankunft bemerkt hatte, stand immer noch fast an derselben Stelle inmitten seiner Schafe, die zwischen den versengten Felsen faseriges Gras zu finden versuchten. Er trug einen breitkrempigen Hut, der sein Gesicht verdeckte. Ich konnte nur den Stummel einer selbstgedrehten Zigarette erkennen, der ihm im Mundwinkel steckte. Er hatte einen alten Rucksack über der Schulter und lehnte sich malerisch auf seinen Hirtenstab. Zu seinen Füßen saß ein großer struppiger Hund. Ein zweiter patrouillierte am Rande der Schafherde.
    »Wo sind Sie denn gerade?« fragte die ruhige, klare Stimme, die sauber aus Kopenhagen durchkam, falls das ihr Aufenthaltsort war.
    »Ich sehe nicht, was Sie das angeht.«
    »Es wäre schon wichtig, daß wir uns so schnell wie möglich treffen könnten«, sagte sie.
    »Rufen Sie in ein paar Stunden noch mal an«, sagte ich.
    »Besser, wir sehen uns. Ich rufe aus Madrid an.«
    »Sie sind sich Ihrer Sache offenbar sehr sicher. Aber ich sage Ihnen noch einmal, ich bin nicht in Madrid«, sagte ich.
    »Sie helfen Ihrem alten Vaterland bestimmt gern«, sagte sie.
    »Ich schulde Dänemark nichts«, sagte ich.
    Sie lachte. Ihr Lachen war ebenso melodisch wie ihre Stimme.
    »Ich wohne im Hotel Victoria«, sagte sie.
    »Okay«, sagte ich, klappte das Handy zu und trabte langsam zu meinem Wagen. Es war ein neuer vierradgetriebener Jeep, den ich vor einer Woche gemietet hatte. Ich warf die Kameras auf die Rückbank und startete, so daß der Schotter nach hinten spritzte. Der Hirt drehte langsam den Kopf, als wäre er selber eine Kamera, die auf ein Stativ montiert war, und folgte mir mit den Augen, als ich mich holpernd und schlingernd von der Küste entfernte. Die Schafe setzten ihre Suche nach Gras und Unkraut fort, und nur ein paar hoben die Köpfe und drängten sich ein wenig zusammen, als ich sie in einer Staubwolke zurückließ, die, wie mir erst allzu spät einfiel, möglicherweise vom Strand aus gesehen werden konnte.
    Mein Hauptquartier hatte ich fünfzig Kilometer südlich in dem kleinen Ferienort Llanca aufgeschlagen. Ich versuchte den Jeep auf der schmalen, gewundenen Bergstraße zu halten, die sich wie ein asphaltschwarzes Band an der Küste entlangschlängelte.
    Die Hitze brachte den Asphalt zum Dampfen. Wir hatten erst Anfang Juni, aber es war bereits sehr warm. Es schien, als bekämen wir einen weiteren langen, heißen und trockenen Sommer. Die Touristen waren schon da, und es war schwierig, die langsamen Autos mit den schweren Campingwagen zu überholen, die ihren langen Zug an die Strände des Südens begonnen hatten. Ich fuhr wie ein Spanier. Ließ den Jeep mit Tempo die Berge hinuntersausen, um jeweils vor der nächsten Haarnadelkurve hart abzubremsen, bevor ich das kleine starke Fahrzeug in Schräglage durch die Kurve schießen und eine neue Steigung hinaufkrauchen ließ, wo man mit viel Glück hin und wieder Platz hatte, einen Touristen oder einen stinkenden Lastwagen zu überholen, dessen dichter Qualm mein Gesicht in dem offenen Wagen umtanzte.
    Links von mir lag blau wie der Himmel das Meer, und zwischendurch hatte man einen Blick auf einen kleinen weißen Ort. Ich fühlte mich gut, Wind im Haar und in der Tasche auf dem Rücksitz das Ergebnis meines Ausflugs. Ich freute mich darauf, zu Amelia und Maria Luisa nach Haus zu kommen, nach Haus in meine Stadt, die mir gewöhnlich ein Siegesgefühl gab, das Gefühl, einen schwierigen Job höchst zufriedenstellend ausgeführt zu haben. Eigentlich brauchte ich nicht mehr soviel zu arbeiten, aber ich wußte nicht, womit ich meine Tage ausfüllen sollte, wenn ich nicht mehr arbeitete. Und wie ich auf Amelias Druck hatte zugeben müssen, bereitete mir die Arbeit, die eigentliche Jagd und die Erlegung der Beute, eine fast brutale Befriedigung. Obwohl ich seit zwanzig Jahren in Spanien lebte, spielte dabei wohl auch mein protestantischer dänischer Hintergrund eine Rolle. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot verdienen. Ohne Arbeit hast du keine Identität. Die Dänen fragen dich erst, was du machst, ehe sie ihren Namen nennen.
    Obwohl ich den Jeep durch die Haarnadelkurven heizte, ging die Fahrt langsam voran. Der Verkehr war zu dicht, und ich

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