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Der Augenjäger / Psychothriller

Der Augenjäger / Psychothriller

Titel: Der Augenjäger / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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irrationalen Angst heraus, sie könnte ins Leere greifen und Nicola würde sich wie eine Fata Morgana verflüchtigen, die sie in die Irre geführt hatte.
    Schließlich gab sie sich einen Ruck, und als ihre Finger erst einen groben Leinenstoff berührten und gleich im Anschluss daran einen flachen Bauch, hätte sie am liebsten angefangen zu weinen.
    »Hallo?«, flüsterte sie. Normalerweise greift ein Blinder einem Fremden nicht ins Gesicht, um ihn zu »erkennen« – ein Hollywood-Klischee, an dem sich Alina immer gestört hatte. Doch jetzt musste sie wissen, mit wem sie hier unten gefangen gehalten wurde. Mit wem sie durch die Hölle ging.
    »Hallo«, antwortete Nicola. Ihr Körper bebte.
    Sie seufzte, als Alinas Finger über ihr Kinn und ihre Wangen glitten. Sie zitterte, als sie die Nase streiften. Sie stöhnte, als sie den Wundverband über ihrem linken Auge berührte.
    »Tut mir leid.« Alina zog die Hand wieder zurück. Die Wunde hatte sie in die Realität zurückgeholt. Irgendwo da draußen war ein Irrer, der Mädchen die Augen zerschnitt und jede Minute zurückkommen konnte.
    »Wir dürfen keine Zeit verlieren, Nicola.«
    »Ja, aber was sollen wir tun?«
    »Ich habe vorhin die Nierenschale mit dem Skalpell heruntergeworfen.«
    »Und?«
    »Es klang so, als ob ich noch weitere Gegenstände vom Tisch gefegt hätte. Kannst du auf dem Fußboden irgendetwas erkennen?«
    »Nein, dazu ist es zu dunkel.«
    Gut, dann müssen wir das ändern.
    »Beschreib mir erst mal unsere Lage. Wo im Raum befinden wir uns jetzt?«
    »Du hast einen Meter gutgemacht, mehr auch nicht.«
    »Und die Tür?«
    »Immer noch genauso weit entfernt wie zuvor. Nur dass du jetzt etwas weiter rechts bei mir stehst.«
    »Schön, perfekt.«
    Alina griff nach der Kante von Nicolas Tisch und zog sich mit beiden Händen an ihr entlang.
    »Ich schiebe mich jetzt Richtung Ausgang, stimmt’s?«, stöhnte sie. Die Kante schnitt ihr in die Handflächen. Lange würde sie diese Anstrengung nicht durchhalten.
    »Ja. Aber vergiss nicht, die eigentliche Tür ist noch hinter der Plane. Selbst wenn du dich von mir abstoßen willst«, sagte Nicola, die Alinas Plan durchschaute, »schaffst du es nicht bis zum Ausgang.«
    Wenn du dich da mal nicht täuschst,
dachte Alina und stemmte sich mit all ihrer verbliebenen Kraft gegen Nicolas Tisch. Sie rollte los.
    Verdammt!
    »Ich hab’s doch gesagt«, hörte sie Nicola sagen, die sich über den Fehlschlag so sehr ärgerte, dass sie sich verschluckt hatte und nun wieder husten musste.
    Alinas Unterlage hatte sich um neunzig Grad gedreht, und dadurch stand sie jetzt direkt vor der Plane, parallel zur Ausgangstür. Sie tastete die bewegliche Folienwand ab, die sich wie die Oberfläche eines Regenmantels anfühlte.
    »Wo ist der verdammte Reißverschluss?«
    Bevor Nicola ihr antworten konnte, hatte sie sich schon aufgesetzt und den Zipper gefunden, mit dem sich die sterile Schleuse des Operationszeltes öffnen ließ.
    »Und jetzt?«, fragte Nicola. »Schön, du hast den Durchgang geöffnet. Wie ich schon sagte, die eigentliche Ausgangstür, das Waschbecken und dieser rote Knopf daneben sind noch anderthalb Meter dahinter.«
    »Aber du kannst jetzt durch die Schleuse hindurch zum Ausgang sehen?«, fragte Alina.
    »Durch einen schmalen Spalt, ja.«
    »Super, perfekt.«
    »Hör bitte endlich auf mit deinem scheiß ›Super-Perfekt‹. Hier ist gar nichts perfekt. Du hast den Reißverschluss geöffnet, jetzt hängt die Plane in zwei Teilen von der Decke, na wunderbar, toll. Der eigentlichen Ausgangstür bist du damit keinen Zentimeter näher gekommen. Und jetzt?«
    »Jetzt brauch ich mal wieder deine Augen.«
    »Du meinst, du brauchst mein
eines
Auge«, korrigierte Nicola.
    »Sorry, jetzt ist wirklich nicht die Zeit für Spitzfindigkeiten, okay? Sag mir einfach, was du siehst! Ist hier irgendetwas in meiner Nähe, das mir weiterhelfen kann?«
    »Nein, verdammt. Was soll denn da sein? Ein fliegender Bolzenschneider für deine Fußfesseln? Eine gute Fee mit drei Wünschen?«
    »Lass deine blöden Sprüche, sag mir lieber, ob ich mich hier irgendwo anders festhalten und weiter zum Ausgang ziehen kann.« Sie erhob nun ebenfalls ihre Stimme. »Im Gegensatz zu dir versuche ich wenigstens, etwas zu unternehmen, und bade mich nicht in …«
    »Hey, Moment mal«, wurde sie von Nicola aufgeregt unterbrochen.
    »Was?«
    »Da ist vielleicht doch was. Kannst du die Plane noch etwas zur Seite ziehen?«
    »So?«
    Alina zog an der Folie wie

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