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Der Augenjäger / Psychothriller

Der Augenjäger / Psychothriller

Titel: Der Augenjäger / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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wenn sie Fragen haben.«
    »Und dann ist er einfach so verschwunden?«
    Stoya ballte die rechte Faust, als hätte er Roth am liebsten eine runtergehauen, steckte sie dann aber in die ausgebeulte Tasche seines Sakkos. Roth konnte sich nicht daran erinnern, ihn jemals in einem anderen Jackett gesehen zu haben. Selbst der Senffleck am Revers kam ihm bekannt vor.
    »Als wir hier ankamen, setzte Tamaras Herz aus. Die Ärzte begannen noch beim Transport in den Schockraum mit den Wiederbelebungsmaßnahmen.« Roth kniff die Augen zusammen. »Erfolglos, wie Sie wissen.«
    Stoya schüttelte verzweifelt den Kopf. »Na toll. Und in dem Chaos haben wir jetzt nicht nur unsere einzige Zeugin, sondern auch noch Alexander Zorbach verloren.«
    »Es tut mir leid.«
    »Ja, danke sehr. Ich geh dann mal los und schau nach, was ich mir davon kaufen kann.«
    Stoya machte auf dem Absatz kehrt, blieb aber kurz darauf stehen, als wäre ihm noch etwas eingefallen. Er öffnete den Mund, hob die Hand und ließ sie nach kurzem Zögern wieder sinken.
    »Was?«
    »Vergessen Sie’s.« Stoya ging in Richtung der Fahrstühle.
    »Darf ich fragen, was Sie eigentlich auf einmal so dringend von ihm wollen?«, rief Roth ihm hinterher.
    »Nein«, antwortete er, ohne sich umzudrehen. »Aber ich sag’s Ihnen trotzdem. Es gibt Neuigkeiten von Frank Lahmann.«

52. Kapitel
    Alina Gregoriev
    A lina fühlte sich wie ein Verhungernder, der in der Wüste einen Rucksack findet, prall gefüllt mit Konserven, nur leider ohne Dosenöffner. Wenn Nicola recht hatte, steckte der Schlüssel zur Freiheit in Sukers Kittel, nur wenige Zentimeter von ihr entfernt und dennoch außerhalb ihrer Reichweite. Zwischen ihr und dem Garderobenständer befand sich nur eine dünne Plastikfolie, aber das Ding hätte ebenso gut in einem anderen Raum stehen können. In ihrer jetzigen Position war es ihr weder möglich, die Folie mit bloßen Händen zu zerreißen, noch, die gesamte Plane von der Decke zu ziehen.
    Also bleibt mir nur noch eines.
Alina robbte mit ihrem Hintern bis zum Fußende des Operationstisches. Ihre Füße steckten etwa in Höhe der Knöchel in Metallmanschetten, die mit einer Kette an der Liege befestigt waren. Die Kette war nur wenige Zentimeter lang, ließ ihr aber immerhin genügend Spielraum, um sich aufzurichten.
    »Hey, was hast du vor?«, fragte Nicola entsetzt.
    Alina gab keine Antwort. Sie balancierte auf der Kante des Tisches wie eine Selbstmörderin am Rand eines Hochhauses, und vermutlich war der Unterschied gar nicht mal so groß. Auch sie wollte sich ins Nichts fallen lassen und wusste nicht, ob sie den Sturz am Ende überleben würde.
    »Tu es nicht«, schrie Nicola hinter ihr auf, doch da war es schon zu spät. Alina krallte sich mit beiden Händen in die Plastikplane und ließ sich nach hinten fallen.

53. Kapitel
    Alexander Zorbach
    W oher haben Sie das?«
    Leonard Schlier senkte den Brief in seiner Hand und wischte sich mit dem Ellbogen die Tränen ab, die ihm beim Lesen immer wieder über die Wange gekullert waren.
    Das Wohnzimmer, in dem wir saßen, war ein stummer Zeuge der Schlacht eines Mannes, der in seinem Kampf gegen das Altern jeden Tag an Boden verlor.
    Vieles deutete darauf hin, dass der Rentner mir gegenüber nicht einfach so kapitulieren wollte. Die sorgsam ausgerichtete Spitzendecke auf dem Couchtisch zum Beispiel oder der Geruch des Raumsprays, mit dem er die Ausdünstungen der billigen Polstermöbel zu übertünchen versuchte, vermutlich auch die des eigenen Körpers. Doch wenn man genau hinsah, merkte man, dass der Verfall sich breitmachte, langsam und mit erbarmungsloser Präzision. Dabei waren die Spinnweben über den Lampenschirmen noch das geringste Problem. Ich störte mich auch nicht an dem abgelaufenen Verfallsdatum der Kondensmilch, die der Alte mir zum Kaffee gereicht hatte. Weitaus bemerkenswerter waren die Schimmelflecken an der Decke, und wenn ich mich nicht irrte, hatte sich die Katze, die friedlich auf dem Fensterbrett über der Heizung schlummerte, neben ihrem Körbchen übergeben. Der haarige Klumpen auf dem Teppich war bereits hart und grau und musste dort schon seit Tagen liegen.
    Schwindende Sehkraft,
dachte ich.
Eine weitere Niederlage im Kampf gegen die Zeit.
    Es heißt, um ein großes Haus zu zerstören, reiche es aus, einfach nur eine kleine Scheibe einzuschmeißen und abzuwarten. Hat man erst einmal Wind, Regen und Tieren den Zugang ermöglicht, ist der Zerfall nur noch eine Frage der Zeit. Ich beobachtete den

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