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Der Augenjäger / Psychothriller

Der Augenjäger / Psychothriller

Titel: Der Augenjäger / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Außentaschen, gleich in der ersten wurde sie fündig.
    »Schneller, los doch«, sagte Nicola, da hatte sie den Bund mit den zwei Sicherheitsschlüsseln schon in der Hand. In Alinas Ohren rauschte es wie nach einem langen Discothekenbesuch. Am liebsten wäre sie erst einmal liegen geblieben; ausruhen, nur ein kurzer Schlaf, um wieder zu Kräften zu kommen …
    Doch ihre Mitgefangene hatte recht, sie musste sich beeilen. Suker konnte jeden Moment zurückkommen. Sicher bereitete sich der Wahnsinnige gerade auf die nächste Operation vor.
    Auf meine Operation.
    Es galt, keine Zeit zu verlieren, also stemmte sie sich wieder hoch und lehnte sich, den Protest ihres Körpers ignorierend, nach vorne.
    »Passen sie?«, wollte Nicola wissen, noch bevor sie auch nur annähernd in der Lage war, die Schlüssel auszuprobieren. Und für einen Moment war Alina sich sicher, dass es auch niemals dazu kommen würde, denn ihre Hände zitterten einfach zu sehr, um das Schloss an der Fußmanschette zu finden, von dem Schlitz für den Schlüssel mal ganz abgesehen.
    »Ich schaffe es nicht«, brüllte Alina in die Dunkelheit. Sie hatte einmal gehört, dass bei Sehenden Blitze vor den Augen tanzen, wenn diese am Rand der Erschöpfung stehen, und sie konnte sich in diesem Augenblick vorstellen, was damit gemeint war, auch wenn sie natürlich nichts dergleichen sah.
    »Doch, du hast es bald«, versuchte Nicola sie aufzumuntern. »Ich sehe es doch, bitte gib nicht auf.«
    »Was weißt du schon, du Drecksgör?«,
schrie Alina, nicht wissend, ob laut oder nur in Gedanken.
»Du hast leicht reden. Du musst hier nicht mit einer Schädelprellung und gebrochenen Rippen Verrenkungen machen. Du musst den Schlüssel nicht in das Schloss …«
    Alina hielt den Atem an.
    Das Schloss, oh mein Gott, da ist das Schloss, und der Schlüssel hier …
Übelkeit wallte in ihr auf, doch sie schluckte sie einfach herunter, denn dieser kleine Schlüssel in ihrer Hand …
passt tatsächlich. Ich kann ihn reinstecken. Nein, besser noch, ich kann ihn … drehen!
    Es machte klick, ein Bolzen schnappte auf.
    Und dann war sie frei.
    Sie wiederholte die Prozedur am anderen Bein, die Kette fiel von ihr ab, und mit ihr eine gewaltige seelische Last. Sie hörte, wie die Manschetten auf dem Boden aufprallten, und spürte keinen Widerstand mehr, als sie die Beine anzog.
    Das einsetzende Glücksgefühl war in seiner Wirkung einer Morphiumspritze vergleichbar. Wenn auch nur für wenige Sekunden, schaltete es all ihre Schmerzen aus und schenkte ihr die Möglichkeit, wieder befreit durchzuatmen.
    »Ich habe es geschafft!« Was sie zuvor nur gedacht hatte, brüllte sie jetzt aus voller Kehle.
    »Geil, geil, geil.« Nicola jubelte, dämpfte aber ihre Stimme, als sie sagte: »Und jetzt zu mir. Aber schnell, bevor Suker zurückkommt.«
    Alina nutzte die letzten Endorphinschübe, um ihre Beine über die Kante des Tisches zu wuchten. Ihre Gelenke fühlten sich an, als wären sie aus Gummi. Sie musste sich abstützen, sonst wäre sie auf dem Weg zu Nicola eingeknickt, aber als sie auch das geschafft hatte, dachte sie, jetzt würde es nichts mehr geben, was sie aufhalten könnte.
    Ich habe meine Arme befreit. Habe mich mitsamt der Liege durch den halben Raum gezogen. Habe mich ins Ungewisse gestürzt und meine Fesseln abgelegt, und jetzt …
    »O nein!« Alina ließ von dem Schloss ab, mit dem Nicolas Hände fixiert waren.
    »Was?«
    »Er passt nicht.«
    »Scheiße, hast du es auch wirklich …?«
    »Ja, ganz sicher.« Alina schlug sich fröstelnd die Arme um den nackten Körper. Die Enttäuschung brachte den Schmerz und damit ihr Kälteempfinden zurück.
    »Beide Schlüssel. Ich hab sowohl deine Fuß- als auch die Handfesseln gecheckt. Sie passen nicht bei dir.«
    Sie hörte, wie Nicola den Kopf auf den Tisch zurückfallen ließ.
    »Das war so was von klar.«
    »Was redest du da?«
    Das Mädchen begann hemmungslos zu weinen. »Mann, ist dir nicht aufgefallen, dass er nur
deine
Hand losgebunden hat?«, sagte sie unter Tränen. »Dabei war
ich
es, die operiert wurde. Aber mich hat er schon aufgegeben;
ich
kann ruhig verrecken und an meiner eigenen Kotze ersticken. Jetzt bist
du
seine besondere Ausnahme.
Du
darfst nicht sterben, aber
mich
hat er schon abgeschrieben.«
    »So darfst du nicht denken.« Alina griff nach ihrer Hand, doch Nicola wollte ihre zur Faust geballten Finger nicht lösen.
    »Ach nein? Was dann? Ich hab nur noch ein Auge, Scheiße, mein Kopf zerspringt, mir ist

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