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Der Augensammler

Der Augensammler

Titel: Der Augensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Zeit. Ja oder nein. Fluss, Kanal, See - ganz egal. Gibt's da Wasser in der Nähe?«
    Ein kurzes Zögern, dann endlich ein kurzes, knappes: »Ja.« »Gut. Es ist nur ein Schuss ins Blaue, und bitte frag jetzt nicht, wie ich darauf komme .«
    Ich will es ja selbst kaum glauben.
    »... aber ihr solltet die Kinder auf einem Schiff suchen.« » Ein Schiff? «
    »Frachter, Segelboot, irgendwas, was schwimmt.« Zumindest, wenn man sich darauf einlässt, dem Wahnsinn zu folgen, und darauf vertraut, dass Alinas letzte »Erinnerungen« einen Sinn ergeben.
    »Mir ist schlecht«, stöhnte sie neben mir leise, und ich nahm kurz den Hörer zur Seite. Mein Angebot, sie zurück in die Klinik zu fahren, lehnte sie zum wiederholten Male energisch ab.
    »Scheiße, wir haben keine Zeit, hier jeden Schlepper abzusuchen«, hörte ich Stoya aus meinem Handy bellen, das ich nun wieder ans Ohr nahm. »Uns bleibt nicht mal mehr eine halbe Stunde. Wenn du mich jetzt auf eine falsche Spur setzt .«
    »Ihr habt doch gar keine Spur«, unterbrach ich ihn. »Und wenn das Versteck auf dem Wasser ist, ist es doch kein Wunder, dass die Hunde bisher nicht angeschlagen haben, oder?«
    Pause. Ich hörte nichts als das Rauschen des Verkehrs, durch den ich mich gerade hindurchzwängte. »Ich kann dir nicht mit Sicherheit sagen, ob ich recht habe«, versuchte ich weiter, Stoya zu überzeugen. »Ehrlich gesagt, bin ich selbst nicht davon überzeugt. Aber wenn ihr ohnehin im Dunkeln tappt, was kann es schaden?« Die folgende Gesprächspause war noch länger als die erste. Erst nach zwanzig Sekunden, die mir wie zwanzig Minuten erschienen, hörte ich, wie Stoya eine Entscheidung traf, die sich als Fehler herausstellen sollte.

     
     

15. Kapitel
    (Noch 19 Minuten bis zum Ablauf des Ultimatums)
Philipp Stoya (Leiter der Mordkommission)
    Siehst nicht mal schön von weitem aus.
    Die Textzeile der treffend ehrlichen Berlin-Hymne von Peter Fox wollte Stoya nicht aus dem Kopf gehen, als er den Blick über den spärlich beleuchteten Parkplatz gleiten ließ: aufgeplatzter Asphalt, ein windschiefes Parkwächterhäuschen mit eingetretenen Fenstern und abgerissener Schranke vor der Einfahrt, achtlos weggeworfener Wohlstandsmüll auf dem gesamten Gelände. Der schon vor Jahren pleitegegangene Entsorgungsbetrieb war nur ein weiterer Beweis, dass die Hauptstadt vor die Hunde ging. Normalerweise wäre ein abgestelltes Fahrzeug hier erst aufgefallen, wenn die Bagger anrückten, um die Verbrennungsanlage samt Schornstein plattzumachen. Aber nachdem Kommissar Zufall die Mitarbeit bislang verweigert hatte, schob er jetzt auf einmal Überstunden. Jugendliche Randalierer mussten sich ausgerechnet den grünen VW Passat der Krankenschwester Katharina Vanghal aussuchen, um nach einem misslungenen Discobesuch (der Türsteher hatte sie gar nicht erst eingelassen) ihre Wut abzubauen. Und das in dem Moment, als eine übernächtigte Funkstreife vorbeikam, womit der Wagen, dem mittlerweile ein Seitenfenster und beide Außenspiegel fehlten, aktenkundig wurde. Weswegen im Computer alle Warnleuchten anschlugen, als wenige Stunden später im Zusammenhang mit dem Augensammler nach dem Fahrzeug gefahndet wurde.
    »Wie viele Objekte kommen in Frage?«, fragte Stoya den Teamchef des Spezialeinsatzkommandos über sein Funkgerät und drehte sich zur Straßenseite. »Ja oder nein. Fluss, Kanal, See - ganz egal. Gibt's da Wasser in der Nähe?«, erinnerte er sich an das Gespräch mit Zorbach, das er kurz zuvor beendet hatte. Bei dem Anblick, der sich ihm gerade bot, hätte Stoya am liebsten hysterisch gelacht.
    Verdammt, Zorbach. Wir sind in Köpenick, hier gibt's nirgends eine trockene Stelle, dachte er. Nur zehn Millionen Möglichkeiten, wo der Augensammler seine Opfer ertränken kann.
    Das Industriegelände, das sie bislang erfolglos durchkämmt hatten, lag an einem Gewässerdreieck, an der Stelle, in der Dahme, Spree und der Teltowkanal zusammenflossen. Selbst die Straßennamen hatten einen feuchten Beiklang. In diesem Moment stand er an der Kreuzung Regattastraße, Ecke Tauchersteig, wobei ihm der zweite Name wie ein böses Omen erschien. Tauchersteig.
    Das Funkgerät in seiner Hand knackte, dann kam die Antwort des Teamchefs. »Hier wimmelt es nur so von privaten Anlegestellen. Wir haben etwa ein Dutzend aufgebrachte Boote, die für den Winter vertäut sind.« »Vergesst die Boote.«
    Zorbach hatte etwas von einem großen Raum mit einer massiven Stahltür erzählt, und so etwas fand sich nicht

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