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Der Augensammler

Der Augensammler

Titel: Der Augensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Versteck zu finden, bevor ich es überhaupt erreicht hatte. Mit allem. Nur nicht damit.

71. Kapitel
    Scheiße, Mann. Sind Sie bescheuert, oder was?«, beschimpfte mich eine junge, mir völlig unbekannte Frau, die es sich in kompletter Finsternis auf meinem Sofa bequem gemacht hatte.
    »Erst lege ich mich auf dem Weg hierher zigmal auf die Schnauze, und dann erschrecken Sie mich fast zu Tode.« Ich hob den rechten Arm und leuchtete ihr direkt ins Gesicht. Zu meiner Verwunderung fing sie weder an zu blinzeln, noch hob sie abwehrend die Hand. Die Unbekannte, die ich auf Ende zwanzig schätzte, blieb ruhig sitzen und starrte stoisch in meine Richtung.
    »Wer zum Teufel sind Sie?«, sagte ich und hätte gleich zwei weitere Fragen hinterherschießen können: Was wollen Sie hier? Wie haben Sie mich gefunden?
    »Na, jetzt platzt mir aber der Arsch.«
    Ihre Stimme war tief und etwas brüchig, was sowohl zu ihrer Zigarette als auch zu der eher männlichen Sitzhaltung passte. Sie hatte die Beine breit übereinandergeschlagen, den linken Fuß auf das rechte Knie gestützt.
    »Sie behaupten ernsthaft, es wäre lebenswichtig und so, aber dann lassen Sie mich eine geschlagene Stunde hier warten ...«
    Sie tippte auf eine große Uhr an ihrem Handgelenk, bei der aus irgendeinem Grund das Deckelglas hochgeklappt war, so dass ihre Finger die bloßliegenden Zeiger berührten. ». und jetzt sind Sie anscheinend auch noch besoffen.« Völlig verwirrt ließ ich den Strahl meiner Taschenlampe von ihrem Gesicht an abwärts über den Rest ihres Körpers gleiten.
    Sie trug enge, an den Knien eingerissene Jeans, die in schwarzen Fallschirmspringerstiefeln verschwanden. Statt einer Winterjacke hatte sie mehrere verschiedenfarbige Pullover übereinandergezogen. Soweit ich es in dem schwachen Licht erkennen konnte, kleidete sie sich ungewöhnlich, aber nicht ungepflegt. »Kennen wir uns?«, fragte ich zögerlich. »Nein.« Sie machte eine kurze Pause. »Deswegen bin ich ja hier.«
    Mich beschlich die unangenehme Vorstellung, es mit einer geistig verwirrten Person zu tun zu haben. Das WannseeHeim war nicht weit, ebenso wenig wie das Wald-Klinikum für psychosomatische Störungen. Na, das fehlt jetzt gerade noch.
    Wie, um Himmels willen, sollte ich eine psychisch Kranke von hier fortschaffen können, ohne Aufsehen zu erregen? Vermutlich suchen sie schon nach ihr. »Hören Sie, ich weiß auch nicht, wer Sie sind. Also bitte, verlassen Sie sofort mein ...«
    Ich zuckte mitten im Satz zusammen und wich unbewusst einen Schritt zurück.
    Scheiße, was war das?
    »Alles okay?«, fragte die Fremde, dabei war nichts okay. Verdammt, irgendetwas hatte sich gerade bewegt, direkt neben dem Sofa. Offenbar war die mysteriöse Frau nicht die einzige Person, die sich auf mein Boot geschlichen hatte.
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte ich. Allein der Gedanke daran, gleich einem weiteren Eindringling ins Gesicht zu sehen, ließ meinen Puls in die Höhe schnellen.
    »Was faseln Sie denn da?«, fragte sie, und ihre Stimme klang, als zweifle sie an meinem Verstand. »Sie haben doch mich angerufen.« »Ich?«
    Die Absurdität ihrer Aussage verpasste meiner Angst einen kleinen Dämpfer. Sie wirkte jetzt ebenfalls etwas verunsichert.
    »Sie sind doch Alexander Zorbach, der Journalist?« Ich nickte, doch sie wiederholte etwas genervt ihre Frage, vermutlich, weil sie meine Geste in der Dunkelheit nicht sehen konnte.
    »Ja, der bin ich. Aber ich habe Sie nicht angerufen.« Keiner kann das getan haben. Denn es gibt niemanden außer mir, der von diesem Ort weiß. Niemand außer ... Sie seufzte und strich sich eine Locke aus der Stirn. »Und wer hat mir dann diese Wegbeschreibung zum Arsch der Welt hier durchgegeben?«
    Niemand außer meiner Mutter. Aber die wird seit Jahren nur noch von Maschinen am Leben gehalten. Ich machte den Mund auf, ohne zu wissen, was ich ihr sagen wollte, so unerklärlich erschien mir die gesamte Situation. Doch bevor ich etwas herausbrachte, fand ich in all dem Wust von Fragen eine erste Antwort. Ich wusste auf einmal, wer sich noch mit der Frau auf das Boot geschlichen hatte. Oder besser gesagt: was. Der Strahl meiner Taschenlampe wanderte nach unten, links neben das Sofa und erfasste den Haltegriff auf dem Fußboden.
    Der Griff gehörte zu einem Brustgeschirr, in dem ein Hund steckte. Ein Labrador oder ein Golden Retriever. Da war ich mir nicht sicher. Dafür wurde mir etwas anderes klar, das eigentlich unmöglich war.
    Ich trat dicht an das Sofa

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