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Der Augensammler

Der Augensammler

Titel: Der Augensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Hundes und stand auf. »Ich zum Beispiel habe nur ein gutes räumliches Gehör. Ich merke an der Reflektion meiner Stimme, dass hier drinnen gerade mal noch ein Bierkasten zwischen meinen Kopf und die Decke passt; und ich weiß auch, dass ich nach etwa vier Schritten gegen eine Holzwand knalle.«
    Hört sich irgendwie doch nach Fledermaus an, dachte ich, sagte jedoch nichts.
    »Aber Stimmenerkennung ist bei mir gleich null«, fuhr sie fort. »Ich habe schon ein Problem, wenn mich jemand auf der Straße nur mit >Hallo< oder >Ich bin's< begrüßt. Oft kann ich der Stimme erst nach einer längeren Unterhaltung eine Person zuordnen. Das geht mir sogar mit guten Freunden und langjährigen Patienten so.«
    »Patienten?«, fragte ich verwundert, während ich beobachtete, wie Alina an dem länglichen Gegenstand in ihrer Hand zog, der sich als ein Teleskopstab entpuppte. »Ich bin Physiotherapeutin.«
    Sie tastete mit dem Blindenstock nach den Füßen des Couchtisches. »Eher erkenne ich Menschen an ihrem Körper als an ihrer Stimme.«
    Sie zog sanft an dem Haltebügel. »Los, TomTom. Zum Ausgang.«
    TomTom?, dachte ich kurz und war etwas abgelenkt durch den skurrilen Humor, einen Blindenhund nach einem Navigationssystem zu benennen. Der Hund reagierte sofort.
    »Hey, stopp. Nicht so schnell ...«, sagte ich, als Alina einen Bogen um mich machen wollte.
    »Ich lasse Sie erst wieder gehen, wenn Sie mir sagen, weshalb Sie gekommen sind. Mag ja sein, dass Ihnen der Mann, der Sie angerufen hat .«
    ... und der sich als Alexander Zorbach ausgibt. Und der aus irgendeinem Grund mein Versteck kennt... ». dass dieser Mann Sie hierhergelockt hat. Aber das erklärt noch lange nicht, weshalb Sie sich darauf eingelassen haben.«
    Noch dazu in Ihrem Zustand, dachte ich.
    »Also, was haben Sie sich davon versprochen, mich hier zu treffen?«
    Alina blieb stehen, und ihre Antwort klang etwas erschöpft, als hätte sie mir das alles schon tausendmal erzählt. »Ich hielt es für meine Pflicht, hier rauszukommen. Damit ich mir später keine Vorwürfe machen muss, nicht wenigstens alles versucht zu haben. Und da ich Ihre Artikel kenne, Herr Zorbach, dachte ich tatsächlich, Sie hätten angerufen, weil Sie an meiner Aussage interessiert sind.« »Welche Aussage?«
    Das Licht der Öllampe reichte nicht bis zu ihr, und so konnte ich keine Empfindungen in ihrem Gesicht ablesen, wobei ich mir ohnehin nicht sicher war, inwieweit das bei sehbehinderten Menschen überhaupt möglich ist. »Ich war gestern bei der Polizei und habe denen schon alles erzählt, was ich weiß. Aber die Idioten haben mich nicht ernst genommen. Musste meine Aussage bei irgend so einem Deppen machen, der noch nicht einmal ein eigenes Büro hatte.« »Worum ging es denn?«
    Sie seufzte. »Wie ich schon sagte, ich bin Physiotherapeutin. Normalerweise behandele ich überwiegend Stammkunden. Doch gestern kam ein Fremder ohne Termin in meine Praxis. Er klagte über starke Schmerzen im Lendenwirbelbereich.«
    »Und?«, fragte ich mit wachsender Ungeduld. »Also begann ich ihn zu massieren, doch ich kam nicht weit. Ich musste die Behandlung abbrechen.« »Weshalb?«
    Eine Welle ließ das gesamte Boot erzittern. Ich sah zu dem Sprossenfenster zur Seeseite, wo nichts als Dunkelheit herrschte.
    »Aus demselben Grund, aus dem wir miteinander reden. Mir wurde auf einmal klar, um wen es sich bei dem Mann handelte.«
    »Um wen?« Mein Magen verkrampfte sich, noch bevor ich ihre Antwort hörte.
    »Na um den, über den Sie in letzter Zeit so viel geschrieben haben.«
    Sie machte eine kurze Pause, in der die Kälte um mich herum zunahm.
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich gestern den Augensammler behandelt habe.«

69. Kapitel
    Das trockene Birkenholz fiel mit einem lauten Zischen in den Ofen, den ich in Windeseile entfacht hatte, als es mir gelungen war, Alina zum Bleiben zu überreden. Zehn Minuten noch, hatte sie mir zugestanden, weil sie dann zum Bus zurückmusste, der sie wieder in die Innenstadt brachte und der nur ein Mal in der Stunde fuhr. Bis jetzt hatte ich mich noch nicht dazu durchgerungen, ihr anzubieten, dass ich sie mit dem Volvo nach Hause bringen würde. Ich wusste einfach nicht, was ich mit ihr und der gesamten Situation anfangen sollte.
    Ich schloss die verrußte Glasscheibe des kleinen Ofens. Gemeinsam mit der Öllampe erzeugte das Flackern des Feuers jetzt das warme Licht, das ich immer so genossen hatte, wenn ich mich hierher zurückgezogen hatte. Um zu arbeiten.

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