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Der Augensammler

Der Augensammler

Titel: Der Augensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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In der Tat. Es ist bei mir. Direkt hier ... ». und es wird dich zerstören, Alex. Die Blinde, ich kenne sie nicht, aber ich spüre, dass sie dich in etwas hineinzieht, aus dem du nicht mehr herauskommst, verstehst du mich?« »Ja«, sagte ich. Einerseits, weil sie auf eine unbeabsichtigte Art und Weise sogar recht hatte, denn tatsächlich fühlte ich mich gerade wie ein Ertrinkender, der tiefer und tiefer im Moor versinkt, je mehr er um sich strampelt. Andererseits musste ich das Telefonat jetzt endlich beenden. »Halte dich von allen negativen Energien fern. Beschwöre das Böse nicht herauf, sonst wird es dich eines Tages zerstören. Komm lieber heim - zu Julians Geburtstag.« Mit diesen Worten legte Nicci auf und ließ mich allein zurück in dem Wahnsinn, der sich mein Leben nannte. Mit Alina, TomTom, dem Wirt.
    Und mit einem Toten, der mir zuzwinkerte, als ich den Billardraum betrat.
     

43. Kapitel
    Scheiwawillenenvir?«
    Der Tote, der bis vor kurzem mit gebrochenem Genick und einer Blutlache unter der Brust auf dem Filz gelegen hatte, saß jetzt aufrecht auf der Kante des Billardtisches und sabberte. Und er tat auch sonst einige Dinge, die Ermordete normalerweise unterlassen. Atmen und Reden zum Beispiel, wenn auch in einer mir unverständlichen Sprache.
    »Kannandichtruhlafen!«
    Mein Blick wanderte zu Alina, die sich einen Stuhl herangezogen hatte, auf dem sie wenige Schritte vom Billardtisch entfernt saß. TomTom lag ihr zu Füßen und gähnte. Nur wenige Sekunden später tat Linus es ihm gleich. »Ich dachte, er ist ...« Ich stockte und rieb mir die Augen. Meine Kopfschmerzen waren schlagartig zurückgekommen und diesmal noch stärker als zuvor. Obwohl die rechteckige Lampe mit dem Spitzenvorhang über dem Billardtisch kaum mehr als einen stärkeren Kerzenschein erzeugte, brannte das Licht in meinen Augen, als ich den Fehler machte und direkt hineinsah.
    »Ich dachte, er ist tot«, gelang es mir, den Satz zu vollenden. Als ich den Barkeeper ansah, tanzten bunte Lichtkreise vor meinen Augen.
    »Tot? Quatsch. Linus schläft immer mit offenen Augen. Ist nicht seine einzige Macke, wie Sie sicher merken.« Ich nickte und ließ die Hand über den Filz wandern, während ich um den Tisch herumging.
    Nach und nach wurde mir klar, dass ich die Zeichen in meiner Aufregung komplett falsch gedeutet hatte. Der Fleck war schon alt und stammte vermutlich von einem umgekippten Bier, vielleicht auch von irgendeiner Körperflüssigkeit, aber ganz bestimmt nicht von Blut aus Linus' Oberkörper, denn der war unversehrt. Und der blutige Sabber rührte von einem ernsthaften, aber keinesfalls tödlichen Zahnfleischproblem des verwahrlosten Straßenmusikers. Was den weiterhin gegenwärtigen Verwesungsgestank anbelangte, so schien das sein normaler Körperduft zu sein. Eine Mischung aus Kot, Urin, Schweiß und Unrat. Der Tribut an ein Leben auf den Berliner Straßen. »Sophilpatiöten« verkündete Linus mit bedeutungsschwangerer Miene, als ich direkt vor ihm stand. Ich sah ihm in das ausgezehrte Gesicht, suchte den Blickkontakt mit seinen Augen, die fast so getrübt waren wie die von Alina, und hatte begriffen, weshalb es immer wieder Fälle gab, bei denen Menschen fälschlicherweise für tot erklärt wurden. Erst vor zwei Monaten hatte ich über eine Frau geschrieben, die in der Pathologie der Charite von der Pritsche gehüpft war. »Was ist mit ihm geschehen?«, fragte ich. »Nun, das habe ich Ihrer Begleitung schon erzählt«, sagte der Wirt, der es aber gerne noch einmal zu wiederholen schien. Offensichtlich hatte er gerne Publikum. »Irgendwann einmal ist Linus eine große Nummer gewesen. Hat mit verschiedenen Bands in Stadien gespielt, angeblich sogar im alten Wembley.«
    Linus nickte anerkennend, so wie Männer nicken, die über vergangene Zeiten reden, in denen die Dinge noch in Ordnung waren.
    »Es heißt, sein Manager habe ihn völlig ausgenommen. Hat ihn mit Drogen statt mit Cash bezahlt. Am Ende war der arme Schlucker nicht nur pleite, sondern völlig gaga. Irgendeine der Spritzen oder Pillen war dann zu viel. Er ist direkt nach einem Konzert zusammengebrochen, und seitdem redet er nur noch in seiner eigenen Sprache.« »Scheiwawillen, hä?«, sabberte Linus wie zur Bestätigung. »Jedenfalls war er eine Zeitlang in der Klapse, irgendwo im Grunewald. Aber dort ist er dann noch bescheuerter wieder rausgekommen, als er reingegangen war, das können Sie mir glauben.«
    Ich ging zu Linus, der weiterhin aufrecht auf dem

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