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Der Augensammler

Der Augensammler

Titel: Der Augensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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nebensächlich geworden. Alina, TomTom, der Wirt, sogar eine Leiche zählt nicht mehr, wenn dein eigen Fleisch und Blut in Gefahr ist. Hier im Hinterzimmer gab es kaum Empfang. Ich konnte Nicci nur abgehackt verstehen, daher verließ ich wortlos den Raum.
    »Was hat er?«, fragte ich, als das Display meines Handys wieder vier Netzbalken zeigte.
    »Er hustet. Ich fürchte, es wird schlimmer.«
    Mein Magen wurde zu einem einzigen Knoten.
    »Fieber?«
    »Ja, ich glaube.«
    Was soll das denn heißen? Seit wann misst ein Thermometer die Temperatur nicht mehr in Grad Celsius, sondern in Vermutungen?
    Ich verkniff mir eine bissige Bemerkung; immerhin war ich derjenige, der eine Stunde vor dem Geburtstag seines Sohnes nicht zu Hause war, sondern bei einer Blinden, einer Leiche und einem offenbar vollkommen durchgeknallten Wirt.
    »Als ich das letzte Mal gemessen habe, lag die Temperatur bei 38,9«, sagte sie.
    »Das ist an der Grenze«, sagte ich erleichtert. Etwas mehr als nur erhöht, aber weit entfernt von hohem Fieber. »Soll ich einen Notarzt rufen?«, überraschte Nicci mich mit einer vernünftigen Frage.
    Aus dem Nebenraum hörte ich Alina etwas sagen. Dann lachte der Barkeeper wieder.
    »Ja, mach das«, bat ich sie, obwohl ich es eigentlich für übertrieben hielt. Aber sicher war sicher. »Nur nimm bitte nicht den privatärztlichen. Die schicken immer einen Armleuchter vorbei, der es erst mal mit Akupunktur versucht.« Langsam entspannte ich mich etwas. Julian war krank, aber es klang nicht bedrohlich, und seine Mutter wollte ausnahmsweise einmal nicht zu einem Wunderheiler. »Was hast du gegen Akupunktur?«, fragte sie. »Nichts. Sie ist nur nicht meine erste Wahl bei einem akuten Infekt.«
    Oder was immer das ist, woran Julian schon so lange leidet. Meine Stimme zitterte, aber Nicci schien die Wut darin nicht gehört zu haben. Langsam rückte der Tote, den wir gerade im Nebenzimmer entdeckt hatten, wieder in mein Bewusstsein zurück.
    »Ach Zorro«, sagte sie und benutzte damit einen Kosenamen, den ich schon lange nicht mehr aus ihrem Mund gehört hatte. »Was ist nur dein Problem?« Sie seufzte. »Wieso bist du eigentlich immer so verbittert, wenn wir miteinander reden?«
    Was mein Problem ist? Ich wechselte wütend das Handy von einem Ohr zum anderen. Du willst wissen, was mein Problem ist? Okay, ich sag's dir.
    »Ich bin momentan etwas ungehalten, Kleines, weil ich gerade Jagd auf einen Perversen mache, der, wie es aussieht, mir die Schuld für seine Morde in die Schuhe schieben will. Und die einzige Zeugin, die mich entlasten kann, ist eine Blinde, die von sich behauptet, sie könne in die Vergangenheit sehen. Das ist mein Problem.«
    Ganz abgesehen von der verwesenden Leiche, die sich nur wenige Meter von mir entfernt in einem Billardzimmer befindet.
    Ich sah wieder zur Tür. Der Wirt hatte sich keinen Schritt bewegt, was bedeutete, dass er Alina in der Zwischenzeit nicht zu nahe gekommen sein konnte. »Eine Blinde?«
    Ich schloss die Augen. Wie hatte ich nur so blöd sein können, ausgerechnet dieses Thema anzuschneiden. Genauso gut hätte ich Nicci eine Einladungskarte für die Esoterikmesse schenken können. Ihr Interesse war entfacht, und sie würde nicht aufhören, mich mit Fragen zu löchern. »Sie ist ein Medium, ja?« »Vergiss, was ich gesagt habe.«
    Ich ging zur Eingangstür und legte die Innenkette vor, damit keine weiteren Gäste in diesen Irrsinn platzen konnten. »Pass auf, Zorro. Das ist jetzt ganz wichtig, hörst du?« »Liebes, ich kann jetzt nicht weiterreden!« Im Nebenzimmer fiel ein Queue zu Boden, dann hörte ich Alina im Nebenzimmer etwas murmeln, während Nicci zu mir sagte: »Ich weiß, du glaubst nicht daran. An Dinge, die wir uns nicht erklären können. Und das ist auch nicht schlimm. Aber .« »Ich muss jetzt wirklich .«
    Ich sah zum Billardraum, wo der Barkeeper aus meinem Blickfeld verschwunden war.
    »Du musst dich von ihr fernhalten.«
    »Was? Wieso?«
    Jetzt hörte ich kein Wort mehr, weder von Alina noch vom Wirt, dafür drang ein langgezogenes Röcheln in den Barbereich. Ich setzte mich in Bewegung.
    »Das habe ich dir schon tausendmal gesagt«, hörte ich Nicci noch sagen, aber ihre Stimme war zu einem Hintergrundgeräusch verkommen. Wie eine unheilverkündende Filmmusik, die den Schauspieler auf seinem Weg in die Gefahr begleitet.
    Nur dass ich kein Schauspieler bin.
    »Du ziehst das Böse an. Bis vor kurzem hast du nur darüber geschrieben, und jetzt ist es bei dir .«

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