Der Aurora Effekt
verträumt seiner Speisekarte widmete.
Im Reisebüro hatten sie Glück, schon am nächsten Morgen ging ein Flug mit der KLM von Hamburg über Amsterdam/Schiphol nach Seattle und von dort dann nach Anchorage in Alaska. Die Flugdauer von insgesamt zwanzig Stunden ließ Angelique zusammenzucken. Tapfer nickte sie aber mit dem Kopf, als Winter fragte, ob das in Ordnung für sie sei.
Angelique musste sich kurz darauf von Winter verabschieden, um ihr Gepäck aus Köln zu holen, um dann früh am nächsten Morgen wieder in Hamburg zu sein. »Ganz schön stressig diese Entfernung, was?«, scherzte Winter, als er sich von Angelique am Hamburger Hauptbahnhof verabschiedetet, nicht ohne ihr vorher noch einen zärtlichen Kuss auf dem Mund zu hauchen. In Gedanken versunken blickte er dem abfahrenden Zug Angeliques hinterher. War er wirklich bereit für eine neue Beziehung? Was war mit Isabel? Wo war sie und was ist passiert? Er fühlte sich plötzlich von seinen eigenen Gefühlen überrollt, unfähig, eine klare Entscheidung zu treffen. Wieder auf dem Bahnhofsvorplatz sog Winter die frische klare Novemberluft ein und ging langsam zurück zu dem abgestellten BMW. Einer inneren Eingebung folgend, fuhr er noch mal zurück zum Friedhof. Er musste einfach zurück an seine Grabstätte, um das Unfassbare zu begreifen. Steins plötzlicher, sinnloser Tod, so einfach aus dem Leben gerissen. In seinen Gedanken sah Winter das zugeschüttete Grab, die weißen Schwertlilien und die vielen mit Spruchbändern versehenen Kränze. Winter brauchte einen Abschluss, den er noch nicht hatte. Er musste einfach noch mal zurück zu Stein.
Bis zur Nase eingehüllt in seinem Mantel näherte er sich langsam der Grabstätte Steins. Schon von weitem sah er die einsame Gestalt, die in gebückter Haltung regungslos vor dem Grab stand. Eine gebrochene Petra Mende drehte sich zu Winter um, als sie merkte, dass sie nicht mehr alleine war. Die Beziehung zu Stein muss wesentlich intensiver gewesen sein, als Winter bisher vermutet hatte. Petra Mende tat ihm leid.
»Entschuldigung Petra, ich wollte dich hier nicht stören. Ich hatte nur so einen Drang, noch einmal hierher zu kommen«, sagte Winter.
»Schon in Ordnung Mark, weißt du eigentlich, das wir zusammen waren, Frank und ich? Ich meine, so richtig zusammen.«
»Nein Petra, das wusste ich leider nicht.«
»Wir wollten zusammenziehen.« Petra begann zu zittern. »Und jetzt springt dieser Idiot einfach vom Dach. Ich verstehe das nicht, Mark. Erklär es mir doch, bitte.« Ihr Zittern wurde stärker und ihr Blick wurde wässrig. »Warum? Warum Mark?« Winter umarmte seine Kollegin. »Ich weiß es nicht, Petra.« Winter überlegte, ob er ihr `was von dem Gespräch mit der Alten erzählen sollte, entschloss sich aber in dieser Situation dagegen. Er würde später mit Petra darüber sprechen.
»Lass mich bitte alleine, Mark«, flüsterte Petra.
Winter ließ sie behutsam wieder los. »Petra, wenn ich irgendwas für dich tun kann, ich bin für dich da.«
»Danke Mark«, gab Petra ausdruckslos zurück.
Winter liefen ebenfalls die Tränen herunter, als er sich umdrehte und Petra am Grab zurücklassen wollte, als ihn diese plötzlich zurief. »Mark, mir fällt grad was ein, ich hab noch was für dich. Warte bitte mal einen Moment.«
Verwundert blickte Mark zurück und sah, wie Petra in Ihrer Handtasche nach etwas suchte. »Die hier, die hat Frank mir irgendwann die letzten Tage noch für dich gegeben, hatte ich ganz vergessen. Er sagte, da würdest du drauf warten. Keine Ahnung.« Petra überreichte ihm ausdruckslos eine selbst gebrannte CD ohne Aufschrift und wandte sich dann auch schon wieder teilnahmslos von Winter ab.
Mit zitternden Händen betrachtete Mark die CD und sein Puls begann, sich merklich zu beschleunigen. War das die Information, die Frank Stein gefunden hatte? Er musste sofort in die Agentur und den Inhalt der CD prüfen.
In der frühen Abenddämmerung betrat er die Agentur und schaltete umgehend seinen Computer ein. Was war nur auf dieser CD? Würde er hier die Antwort für Frank Steins Tod finden? Wie in Zeitlupe zog sein iMac den Datenträger ein und zeigte diesen endlich auf seiner Benutzeroberfläche an. ›Mark‹, hieß der Titel der CD und Winter klickte sofort auf das CD Symbol. Überraschend stellte er fest, das sich in dem Ordner nur eine Datei mit dem Namen cnn.mov befand. Ein Film? Was hatte das zu bedeuten? Winter klickte mit einem Doppelklick auf die entsprechende Datei
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