Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
Vom Netzwerk:
doch nicht auf, oder?«
    »Ich meine, wenn du es nicht magst, kannst du Mama das ja sagen.« Sein Vater vergrub das Gesicht in den Händen.
    Es war schwer, ganz allein zwei Kinder erziehen und auch noch das Geld verdienen zu müssen, das hatte er die Mütter von Perry und Gijs mal zueinander sagen hören. Hoffentlich erschöpfte es seinen Vater nicht so sehr, dass er die Flinte insKorn warf. Er musste sich etwas einfallen lassen, um ihn ein bisschen aufzuheitern.
    »Du fragst dich vielleicht, warum ich immer wieder davon anfange, aber ich mache mir eben manchmal Sorgen, ob... Was ist denn jetzt?«
    Niels war unter das Bett getaucht und kramte in dem Karton, der dort stand. Er bekam das Fläschchen mit dem goldenen Verschluss gleich zu fassen. Es war immer noch mehr als halb voll.
    »Niels, jetzt mal eben keine...« Die Stimme seines Vaters stockte, als er das Parfümfläschchen sah.
    »Das ist noch von Mama, weißt du. Möchtest du ein bisschen?« Eilfertig schraubte Niels den Verschluss auf. Der vertraute Duft verbreitete sich. Er fasste seinen Vater beim Handgelenk, kippte das Fläschchen und sprenkelte ihm ein paar feine Tropfen auf den Ärmel. Dann drückte er ihm den Ärmel ans Gesicht. »Du musst ganz tief einatmen, durch die Nase.«
    Seinem Vater standen die Schweißperlen auf der Stirn. Den Ärmel an die Nase gedrückt, saß er reglos da und starrte vor sich hin. Nur sein Kinn bewegte sich kurz, als wolle er etwas sagen, könne es aber nicht. Dann fingen auch seine Schultern an zu zucken.
    »Magst du es nicht?«, fragte Niels.
    Sein Vater machte die Augen zu und dann wieder auf. »Also so machst du das immer?«
    »Was ist denn plötzlich?«
    »Entschuldige.« Sein Vater räusperte sich. »Vielen Dank, mein Großer, und gute Nacht.« Er stand abrupt auf und ging aus dem Zimmer, torkelnd wie einer, der zu viel getrunken hat.
    Niels ließ sich aufs Bett zurückfallen. Das Dumme an Erwachsenen war, dass sie nicht einfach sagten, was sie dachten oder fühlten. Deshalb war ihnen nie wirklich zu helfen.
    Mach dir bloß nicht ins Hemd, Papa! Böse kletterte er aus dem Bett, um die Tür zu schließen und das Licht auszumachen. Im Dunkeln schlüpfte er wieder unter seine Decke. Das Fläschchen Parfüm war in die Mitte seiner Matratze gerollt, es drückte ihn in die Seite. Er grub es hervor und stellte es mit einem Knall auf seinen Nachttisch. Dabei hatte er es für so einen guten Vorschlag gehalten, als seine Mutter ihm das vorhin zugeflüstert hatte.

 
Sicherheit
     
    Bei jedem Schritt, den Beatrijs auf ihren Krücken machte, wunderte sie sich über den Effekt: Sie kam tatsächlich voran, es ging vorwärts. Im Schneckentempo zwar, aber nach so langem Leerlauf war Bewegung an sich schon etwas Unvorstellbares, ja nahezu Magisches. Während sie sich, ein wenig eiernd zwar, aber immerhin aus eigener Kraft durch den langen Gang der Klinik zum Fahrstuhl vorarbeitete, sah sie sich plötzlich in einem völlig neuen Licht: als eine, die sich atemlos vor Lachen in sonnigen Straßencafés niederließ oder ein Wochenende in Paris auf Einkaufsbummel ging. Als eine, die energisch, sexy und sorglos war und voller witziger Ideen steckte. Dass das Gefühl, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, so was mit einem machen konnte!
    Da waren endlich die Fahrstühle. Mit ihrer Krücke stieß sie ausgelassen auf alle drei Rufknöpfe.
    Leander, der ihre beiden Taschen mit Karten, Kinderzeichnungen, Toilettenutensilien und ausgebeulten Pyjamas trug, sagte: »Jetzt kommen gleich drei nach oben.«
    »Sei nicht so knauserig! Ich passe nicht mehr in einen einzigen Fahrstuhl.« Sie lachte ihn an, während sie sich aufs Hinterteil klopfte. Langes Liegen war Gift für die schlanke Linie. Sie hatte sich oft wie ein immer größer werdender Maulwurfshügel oder wie ein unappetitlicher Kuhfladen gefühlt, aber das kam ihr jetzt absurd vor. So was dachten nur einsame, ungeliebteFrauen, die nie mit einem Geliebten an der Seine entlangspaziert waren. Dicke Menschen hatten ein sonnigeres Gemüt, das war allgemein bekannt. Aber im Grunde war ihr Gewicht nicht von Belang. Zwei Monate lang war sie einzig und allein Knie gewesen, es wurde höchste Zeit, dass der Rest auch wieder mal Beachtung fand. Sie sah schon vor sich, wie Leander ihr, noch bevor sie zu Hause über die Schwelle wären, die Kleider vom Leib streifen und sie langsam und hingebungsvoll von oben bis unten und wieder zurück ablecken würde, wie ein Eis. Während der

Weitere Kostenlose Bücher