Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
Vom Netzwerk:
bestrafen, für eine Tat, die sonst unbestraft geblieben wäre.
    »Ich wünsche dir gar nichts. In meinem Universum existierst du nicht mal.«
    »Ich verstehe«, sagte Laurens, aber diesmal war seine Demut gespielt. Irgendwie war der Bann gebrochen, nun, da er sich selbst durchschaute. Er dachte sich besser etwas anderes aus, um seine Schuldgefühle zu tilgen, denn das hier brachte weder seine Kinder noch ihn selbst das kleinste bisschen weiter. »Ich werde dich nicht mehr belästigen. Guten Abend noch.« Er war verblüfft über sich selbst. Er drehte sich um und überquerte die Straße.
    Hinter dem Fenster des Lokals sprang Niels auf und winkte begeistert.
    Laurens winkte zurück. Er war sich bewusst, dass er keinen Schritt weitergekommen war, und dennoch verspürte er für einen kurzen Moment unendliche Erleichterung. Das Spiel war aus, er war wieder ein freier Mensch. Fast hätte er sich eingeredet, er habe Leander schwer eins damit ausgewischt, dass er von sich aus Schluss mit dem Ganzen gemacht hatte.
    Er beglich an der Theke die Rechnung. Seine Söhne saßen schon ganz und gar reisefertig da, die Reißverschlüsse ihrer Jacken bis zum Kinn hochgezogen.
    »Was hat Yajas Vater gesagt?«, fragte Niels.
    »Nichts Besonderes. Wollen wir dann mal schauen, wie eure Sternenhimmel sind?«
    Sie fuhren nach Hause. Im Gartenzimmer blinkten ihnen die Tannenbaumlämpchen entgegen. Sie machten sie aus, zündeten zwei Teelichter an, stellten sie hinter die Pappe und schauten im Dunkeln zu dritt auf die glitzernden Himmel. Es erinnerte Laurens an das Blitzen in Veers Augen, und sofort tat sich ein Abgrund zu seinen Füßen auf, ein Abgrund der Angst, aber auch des Kummers, des Verlusts und der Sehnsucht. Wenn er jenen einen Abend doch nur noch einmal neu und diesmal anders ablaufen lassen könnte. Dafür würde er dem Teufel seine Seele verkaufen. Aber zunächst musste er sich überlegen, wie es jetzt weiterging.
    Glücklich, dass er so einen tollen Tag gehabt hatte, schlüpfte Niels unter seine Bettdecke. Er war stolz, dass er seinen Vater mit seinen Rätseln zum Lachen gebracht hatte. Vielleicht sollte er ihm auch mal erzählen, was die großen Jungen auf dem Schulhof so alles sagten. Du hast wohl nicht alle Nadeln auf der Tanne. Ich brems dir gleich eine. Mach dir bloß nicht ins Hemd. Lass dich restaurieren. Ein Klopfsalat war was für Kinder in Tobys Alter. Aber zugegeben, auch darüber hatte sein Vater gelacht, richtig gelacht, mit dem Bierglas in der Hand, wie ein Vater aus der Fernsehwerbung.
    Es war schön, wenn man so wie die Leute war, die Würstchen und Chips zusammen aßen.
    Er zog Mamas Pullover unter seinem Kissen hervor und legte die Wange darauf. Mama, heute hab ich Pap zum Lachen gebracht und dem kleinen Zwerg einen Sternenhimmel beigebracht, und weißt du was? In den Weihnachtsferien kommt Nicky mich in ihrem Auto abholen.
    Letzteres war so unglaublich, da hatte man echt keine Nadeln mehr auf der Tanne. Er würde neben ihr in ihrem dunkelroten Rover sitzen, und vielleicht würde sie sogar seine Hand halten, wenn sie zusammen über den Friedhof gingen. Sie hattesolche weichen Hände, und wenn man sich ihre Finger ansah, fragte man sich, wofür Menschen eigentlich diese vollkommenen Halbmonde in ihren Nägeln hatten. Einfach so, oder hatte das einen bestimmten Zweck?
    Er seufzte tief und wollte sich gerade umdrehen, als sein Vater hereinkam. Er machte die Vorhänge zu, hob eine Hose auf, die er in den Schrank legte, und setzte sich dann auf seine Bettkante, um den Wecker zu stellen. Er sah gar nicht mehr wie ein Vater aus einer Fernsehwerbung aus. Er war wieder in sich gekehrt und traurig. Niels stützte sich auf dem Ellbogen auf und stupste seinen Vater an der Schulter an. »Lass dich restaurieren, Pap !« Voller Selbstvertrauen begann er zu lachen.
    Sein Vater stellte den Wecker zurück und strich sich über die Augen.
    Hatte er den Witz nicht gehört? Niels’ Glücksgefühle ebbten ab. Nur einmal in hundert Jahren zu lachen war nicht genug. Er wollte, dass sie jeden Tag Spaß miteinander hatten.
    Unvermittelt fragte sein Vater: »Erzähl mal, Niels, ist es unheimlich oder schön, mit Mama zu reden?«
    Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Es war keines von beidem, sondern einfach normal. Und darüber hatten sie doch heute Nachmittag schon gesprochen.
    »Oder mal anders: Hättest du gern, dass es aufhört, oder würde es dir dann fehlen?«
    »Fehlen natürlich«, sagte er erstaunt. »Aber es hört

Weitere Kostenlose Bücher