Der Ausflug
Ferientagebuch zu schreiben«, sagte Gwen, während sie sich noch einmal einschenkte. »Stimmt’s, Niels? Das machen wir nämlich immer.«
Er atmete tief durch. Das Ferientagebuch war Mamas Idee gewesen, nicht ihre. Sie erinnerte sich offenbar nicht mal mehr, dass seine Mutter je existiert hatte. Sofort stand sein Entschluss fest. Er würde ihr eine Lektion erteilen.
Hinterher würde sich Gwen noch tausendmal die Haare raufen. Hätte sie doch ihre Vorgefühle ernst genommen. Hätte sie doch auf die Stimme ihres Herzens gehört. Doch als sie das zu dem Polizisten gesagt hatte, hatte der sie nur komisch angeguckt.
Er war übrigens sehr nett gewesen, genau wie sein Kollege, dem ein Eckzahn fehlte, sie hatte die ganze Zeit an denfreundlichen Lispler vom Bootsverleih am Kanal denken müssen. So detailliert wie möglich hatte sie den beiden erzählt, wie der Nachmittag verlaufen war, zumindest soweit sie das überblickte. Bei so einer großen Gesellschaft war immer etwas los. Alle naselang musste Kindergezänk beschwichtigt werden, ein mitgenommener Ball war verloren gegangen, ein Weinglas zerbrochen. Auf jeden Fall war Timo, nachdem die Kühlboxen geleert waren, mit den Engeln zum Baden an den Teich gegangen. Bobbie und die Kleinen hatten sich in ein wildes Spiel verstrickt, bei dem es darum gegangen war, einander so oft wie möglich zu Boden zu werfen. Laurens war ein wenig über das Gelände geschlendert, unglücklich, gequält. Seine Jungs waren in eine der großen Kastanien geklettert und im Blätterdach verschwunden. Beatrijs war in der Sonne eingeschlafen. Yaja hatte Kopfhörer aufgesetzt, aus denen irgendwelche kreischenden hohen Frauenstimmen zu hören gewesen waren. Und sie selbst war irgendwann mit Leander ans Wasser spaziert, um sich kurz die Beine zu vertreten. Es war nicht nett, wenn keiner sich um ihn kümmerte.
Auf der Spielwiese war es unterdessen voll geworden, es war schließlich Sonntagnachmittag. Man musste sich seinen Weg zwischen faulenzenden Menschen und ihren herumtollenden Kindern hindurch bahnen. Timo und die Mädchen waren nicht mehr im Wasser gewesen, die hatten sie offenbar gerade verpasst.
Warum Leander und sie so lange weggeblieben waren, konnte sie nicht recht erklären. Sie hatte einfach nicht gemerkt, wie viel Zeit verstrichen war. Vielleicht lag es an den unerwartet interessanten Dingen, die er ihr über seine Arbeit erzählt hatte. Oder vielleicht hatte sie es einfach genossen, mal ein Weilchen von der ganzen Horde erlöst zu sein.
Als Leander und sie endlich kehrtgemacht hatten, war außer Laurens von der ganzen Gesellschaft niemand mehr übrig gewesen.Er konnte angeben, dass Yaja als Erste gegangen war, gähnend vor Langeweile. Die Kleinen hatten auch bald genug gehabt und hatten Bobbie überredet, nach Hause zu gehen und zusammen Pfannkuchen zu backen. Darauf waren auch Toby und Niels angesprungen. Kurz darauf war Beatrijs aus dem Schlaf hochgefahren und wie der Blitz verschwunden, weil sie, wie sich später herausstellte, dachte, Leander warte schon zu Hause auf sie. Und eine halbe Stunde später hatte Timo die nassen Engel mit nach Hause genommen, weil es angefangen hatte, sich zu bewölken. Damit war nur Laurens übrig geblieben.
Sie hätte natürlich Lunte riechen müssen. Aber sie war gar nicht dazu gekommen, ihre Gedanken zu ordnen. Leander und Laurens so nah beieinander, da musste sie verhindern, dass die beiden sich in die Haare bekamen, und so redete sie den ganzen Nachhauseweg von Marleens und Marises Judo- Unterricht. Es war ja so nützlich, dass kleine Mädchen lernten, wie sie sich verteidigen konnten, aber schade, dass sie es überhaupt lernen mussten.
Erst zu Hause war es ans Licht gekommen, als es Zeit wurde, das Baby zu stillen. Sie war mit größter Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, dass Timo Babette im Tragesack mitgenommen hatte. Oder Bobbie. Oder Beatrijs. Oder Yaja, die sich als Erste verzogen hatte.
Doch genauso hatten alle anderen automatisch angenommen, dass Babette die ganze Zeit bei ihr gewesen sei.
Die Drei ist eine heilige Zahl
Laurens saß auf einem vorsintflutlichen Sofa, das noch von Timos Eltern stammte, in dem selten benutzten Wohnzimmer und presste die Fäuste gegen die Augen, in dem beklemmenden Wissen, dass er der Letzte gewesen sein musste, der Babette gesehen hatte, wie sie unter ihrem petersiiengrünen Sonnenhut fröhlich auf dem Plaid vor sich hinblubberte.
Er hatte Gwen noch etwas zu ihr sagen hören, bevor sie
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