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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
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gegessen.«
    »Jesus fucking Christ«, sagte Yaja, ohne die Stimme anzuheben. »Wenn ich mich hier schon dumm und dusslig langweile, muss ich doch wohl nicht auch noch verhungern! Und es waren im Übrigen auch nur zwei.«
    Abrupt wandte sich Tante Beatrijs ihm zu und fragte: »Habt ihr auch eure Badehosen mitgebracht, Jungs?« In ihren Augen war jetzt ein Ausdruck, der Unterstützung erheischte. So guckten Erwachsene immer, wenn es nicht so lief, wie sie wollten. Als zählten sie darauf, dass man sich, ohne die geringste Ahnung zu haben, worum es eigentlich ging, schon irgendetwas einfallen lassen würde, damit alles wieder in Ordnung kam. Sie hielten einen offenbar für ein morphologisches Feld. Aber Niels tat ihr nicht den Gefallen, er schüttelte den Kopf.
    »Baden!«, rief Toby begeistert.
    »Na ja, wir können sie immer noch schnell holen.«
    »Aber zuerst der Wein«, sagte Onkel Timo und goss die Gläser voll.
    Auch Bobbie und Papa hatten sich jetzt endlich hingesetzt. Sie hatten das Baby aus dem Tragesack genommen. Babette lag auf dem Rücken, wedelte mit den Händchen und blubberte vor sich hin. Bobbie setzte ihr einen knallgrünen Sonnenhut auf und linste dann über den Rand ihrer Sonnenbrille hinweg zu Leander hinüber. »Es ist doch wirklich verrückt, dass man dem Mann neuerdings überall begegnet«, sagte sie laut. Dann zupfte sie mit hastigen, nervösen Bewegungen Babettes Hütchen noch etwas zurecht.
    »Ciao, Babette«, gurrte Yaja und kroch auf allen vieren zum Baby hinüber. »Hallo, mein Schnuckelchen.«
    »Sie ist aber nicht dein Schnuckelchen«, begann Karianne auf der Stelle.
    »Fall doch nicht jedes Mal darauf rein, Dummerchen«, sagte Onkel Timo. Er nahm einen Schluck aus seinem Glasund streckte sich dann rücklings im Gras aus. »Aah, tut das gut«, murmelte er und machte schläfrig die Augen zu.
    Yaja nahm eines der Babyfäustchen und tat so, als knabbere sie daran. »Mm, hast du zartes Fleisch! Ich könnte dich glatt fressen. Mit Haut und Haaren fress ich dich auf!«
    Bei dem Anblick fuhr Niels der Schreck in alle Glieder. Schweiß trat ihm in den Nacken, und die Haare standen ihm zu Berge. Angenommen, Yaja, die sich alles traute, würde sich in ihr Spiel einmischen, das mit grausamer Geduld darauf wartete, zu Ende gespielt zu werden. Was dann passieren würde, war so grausig, dass man es sich gar nicht vorstellen mochte. Schon mit nur den Zwillingen als möglicher Beute war es schlimm genug gewesen. Aber Babette, die man noch nicht mal zu den Weibern, Schnallen, Gurken oder Schlampen zählen konnte, die bloß ein Baby war... nein, das wäre zu gemein, zu schlimm, schrecklich, hundsgemein gemein.
    Hilfe suchend schaute er zu seinem Vater. Doch da sank ihm gleich der Mut: Papa verstand rein gar nichts davon, ein Unglück abzuwenden. Wenn es darauf ankam, rührte der keinen Finger.
    Babette stieß einen kleinen Schrei aus, und alle lachten. Diese steinharte Gwen am lautesten von allen.
    Aber womöglich würde Yaja wirklich beißen, würde die kleine Babyfaust verschlingen wie ein Ei, und dann wäre es zu spät. Und er hätte es machtlos geschehen lassen, statt Babette zu beschützen. Er wäre genauso ein Esel wie sein Vater, der nichts getan hatte, um zu verhindern, dass Mama starb. Und genauso ein blindes Huhn wie Tante Gwen, die vor lauter Egoismus nicht mal merkte, dass ihr Kind in Gefahr war. Eigentlich hatte sie es verdient, dass Yaja Babette auffraß. Dann würde sie auch mal zu spüren bekommen, wie es war, wenn man jemanden vermisste.
    War denn hier niemand, der ihm helfen konnte, niemandmit Muskeln, niemand mit Mut, Durchblick oder guten Ideen? Ja, Onkel Timo, aber der schlief, die Arme über der Brust gekreuzt, die eine Schulter nass von dem Wein, der umgefallen war.
    Und Leander. Leander gab’s auch noch. Der saß im Schneidersitz da und starrte, mit den Händen im Schoß, einfach ins Weite.
    Niels versuchte, seinem Blick zu folgen. Leander sah etwas, das sah man sofort. Und er war nicht irgendwer, er war jemand, der Dinge wusste . Der wusste, dass man sich nur etwas zu wünschen brauchte, allerdings mit Leib und Seele, um schlagartig so mächtig zu werden, dass man alles steuern konnte, wie man es gern hätte. Wer weiß, was man sich alles erfüllen konnte mit ein wenig Übung. Niels krümmte sich kurz, so heftig war sein Verlangen danach. Aber tot, das war für immer. Dagegen war kein morphologisches Feld gewachsen.
    »Wir dürfen heute Abend nicht vergessen, in unser

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