Der Ausflug
wieder drauf.«
»Das Ganze hier war die Idee von meinem Vater. Tut bloß nicht so, als hättet ihr euch das ausgedacht. Und ich hab echt voll Hunger.« In aller Seelenruhe begann Yaja, ein Ei zupellen. An ihrem einen Ohr baumelte ein silbernes Skelett, das ihr bis auf die Schulter reichte. Ihr weiß getünchtes Gesicht drückte nichts als Langeweile aus, eine so gähnende Langeweile, dass man fast davon angesteckt wurde und sich am liebsten mit ausgestreckten Armen und Beinen nach hinten fallen lassen würde, um sich nicht mehr zu rühren, bis bessere Zeiten anbrachen.
Niels prickelten die Haarwurzeln vor Unmut. Was hing er hier eigentlich zwischen den Weibern rum? »Picknick! Echt was für alte Knacker«, sagte er böse.
»Was erwartest du denn? Er ist doch auch ’n alter Sack«, erwiderte Yaja. Sie schlug ihre scharfen kleinen Zähne in das Ei und biss ihm den Kopf ab. Sie kaute träge, fast ohne die Kiefer zu bewegen.
Just in dem Augenblick kam ihr Vater vom Radweg her. Er ging ein wenig gebeugt, und seine Knie stießen beim Laufen gegeneinander. Er hatte was von einem Dromedar.
»Seht euch das an«, sagte Yaja voller Abscheu. »Ein wandelnder Alzheimer. Wenn ich nur dran denke, dass es Leute gibt, die es mit so ’ner lebenden Leiche machen wollen...«
»Was machen?«, fragte Karianne.
Niels rückte etwas näher an Toby heran. Das gab jetzt Weibergewäsch, das konnte er riechen. Und das Wissen, dass er wieder mal nichts davon kapieren würde, machte ihn rasend.
Hinter vorgehaltener Hand fuhr Yaja fort: »Na ja, der angeschimmelte Rollmops, den er sich geangelt hat, hätte natürlich eh nichts Besseres abgekriegt.«
Die Engel prusteten los. Karianne und Klaar gackerten ebenfalls drauflos und kugelten sich übereinander. Ihre sommersprossigen Gesichter waren schief vor Lachen.
»So«, sagte Yajas Vater zur Begrüßung und ließ sich in die Hocke nieder. »Was ist denn so lustig?«
Yaja warf einen Blick in die Runde, als wolle sie sagen: Achtung,jetzt wird’s erst richtig witzig. »Ach, weißt du, Pa, wir sprachen gerade über morphologische Felder.«
»Mann, was für ’ne Schnalle«, raunte Niels Toby abfällig zu. Man konnte auch Gurke sagen. Das sagten die großen Jungs auf dem Schulhof, mit den Händen in den Taschen.
»Na, so was.« Leander lachte überrascht.
Yaja schnippte mit den Fingern. »Du kannst das besser erklären als ich. Von den Hamstern und so. Los, erzähl mal.«
In der Hoffnung, endlich etwas Interessantes zu hören zu bekommen, spitzte Niels die Ohren. Aber er verlor schon bald den Faden. Und zu lachen gab es auch nicht viel. Das morphologische Feld sei ein wundersames Phänomen, sagte Leander. Es bestehe aus energetischen Kräften, die mittels einer noch unverstandenen Synchronizität schöpfend und ursächlich wirkten. Beim Sprechen bildeten sich kleine Schaumbläschen in seinen Mundwinkeln. Er hatte außergewöhnlich dünne, straffe Lippen, als sei ihm die Haut viel zu eng.
»Mach mal ’n bisschen Tempo«, sagte Yaja, mit der abgeknickten Hand wedelnd.
Wenn zum Beispiel, fuhr Leander doppelt so schnell fort, irgendwo auf der Erde, sagen wir mal in Amsterdam, ein Hamster in seinem Käfig gelernt habe, aus einem umgedrehten Fläschchen Wasser zu trinken, könnten das fortan auch seine Nachkommen mühelos, aber nicht nur die, sondern alle Hamster im weiten Umkreis, ja sogar in Tokio oder Mailand. Das sei eines der unerklärlichen Dinge, die...
Ohnmächtig vor Lachen sackte Yaja in sich zusammen. »Ogottogott! Stellt euch das mal vor!«
All die blöden Hamster, die weltweit an ihren Fläschchen nuckelten und auch noch dachten, sie wären was Besonderes. Das war wirklich zum Totlachen. Niels konnte es sich nicht verkneifen. Er lachte mit. Mit unsicherem Blick taxierte ihn sein kleiner Bruder. Der Zwerg kapierte nicht die Bohne.
»Aber das Beste kommt noch«, brachte Yaja hicksend hervor. »Das gilt nicht nur... das gilt nicht nur... nicht nur für Hamster !«
»Soll ich lieber warten, bis ihr ausgelacht habt?«, erkundigte sich Leander.
»Nein, mach weiter, mach weiter!« Die schwarzen Ränder unter Yajas Augen waren total verlaufen. Sie sah aus wie eine Tropfsteinhöhle.
In dem Moment tauchte Tante Beatrijs auf. Mit ihren hohen Absätzen sank sie bei jedem Schritt im Gras ein. Schon von weitem rief sie Leander in erregtem Ton zu: »Du bist ja schon hier ! Ich hab dich überall gesucht!«
Ohne sie eines Blickes zu würdigen, setzte Yajas Vater seine Ausführungen fort.
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