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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
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mit der Zeit verblassen würde, denn war dasnicht langfristig mit allen Geheimnissen so, wenn man sie mit niemanden teilte?
    Beatrijs wischte sich über die Wangen. »Was denn für ein Beweis? Was soll Leander denn jetzt wieder beweisen? « Auf ihrem Hals bildeten sich rote Flecke.
    Vor langer Zeit hatte er sie dort mal geküsst, auf diesen molligen Hals, an einem Sommerabend, hier im Obstbaumgarten, den es damals noch gab, weniger aus Lust denn aus Höflichkeit, weil er den Eindruck gehabt hatte, dass man bei so einem immer etwas drögen Buchhalter wie Frank als Frau doch reichlich zu kurz kam. Na gut, sie waren dann doch ganz schön in Fahrt gekommen. Sie waren einander sogar ein bisschen an die Wäsche gegangen. Beatrijs hatte sehr gut gerochen, blumig, gesund, frisch.
    In verzweifeltem Ton fuhr sie fort: »Du hast den spirituellen Tiefgang eines... Frühstücksbretts , weißt du das? Hier sind uraltes Wissen, Weisheit, und Können am Werk, und du spuckst einfach drauf, das brauchst du gar nicht erst zu leugnen, du spuckst drauf, und ich werde dir sagen, warum!«
    Er dachte: Sie kämpft nur um ihr eigenes Glück. Wie jeder andere Mensch auch. Er war auf einmal seltsam gerührt und fühlte sich mit ihr verbunden.
    »Aus Angst, Laurens!«
    »Weißt du, Laurens, ich könnte auch dir helfen«, sagte Leander leise, fast wie nebenbei.
    Er räusperte sich. »Ach, wirklich?«
    »Du leidest.«
    Um die Peinlichkeit zu überspielen, strich er sich kurz mit der Hand durchs Haar.
    »Aber du leidest unnötig.«
    »Obwohl wir natürlich leicht reden haben«, fiel Beatrijs rasch ein. »Das ist uns durchaus bewusst, Laurens.« Sie warf ihm ein laues Aufmunterungslächeln zu und sah dann wiederzu Leander, der mit Glockenhall in der Stimme fortfuhr: »Kein Leben endet jemals ohne Sinn. Einen Menschen, den wir verlieren, verlieren wir nur, weil er anderswo benötigt wird. Du musst das so sehen: Diese Person war auf der Erde fertig und ist nach oben gerufen worden, um sich auf ein neues Projekt vorzubereiten, einen neuen Auftrag. Kannst du dem folgen? Kein Mensch geht je vor seiner Zeit.«
    Ein Schaudern kroch ihm über die Wirbelsäule in den Nacken hinauf. Es war, als fühlte er Veronicas Fingernägel neckend über jeden einzelnen seiner Wirbel kratzen. Sein Weltklasseweib, eine Frau, wie es keine zweite gab, die Einzige, neben der er sein Leben lang hatte aufwachen wollen, so hatten sie es einander auch versprochen. Verdammt, Veer, das hatten wir abgemacht!
    Nervös sagte Beatrijs: »Verstehst du? Sogar Babette hat ihre Aufgabe hier vielleicht schon vollbracht. Und dann wird sie mit neuem Auftrag und in neuer Gestalt unter uns zurückkehren. Das ist der Trost, den wir schlimmstenfalls immer noch haben. Wie Leander immer sagt: Keine einzige Seele geht jemals verloren.«
    »Ein großartiger Trost«, zischte Laurens mit zusammengepressten Zähnen. »Da werden Gwen und Timo aber überglücklich sein.« Kopfschüttelnd stapfte er von der Terrasse hinunter und mit großen Schritten den Kiesweg am Haus entlang. Im Nu hatte er das Grundstück verlassen. Vor ihm erstreckte sich nun der Kanal. Es war noch immer nicht dunkel, aber es hing Regen in der Luft.
    Es musste gehandelt werden, statt zu palavern und zu philosophieren. Reinkarnation war was für den Zeitvertreib. Sehr interessant, aber nicht, wenn Not am Mann war. Er wollte gern alles glauben, sogar, dass jeder, der ein früheres Leben für sich beanspruchte, darin seltsamerweise nie ein durchschnittlicher Stümper gewesen war, sondern immer ein nobler Gralsritteroder eine zu Unrecht auf den Scheiterhaufen geworfene weise Kräuterfrau. Okay, okay, dann hatte es in vorigen Leben eben weit und breit keinen normalen Menschen gegeben, aber der Ton , in dem das immer ablief, diese heilige Gewissheit, obwohl es keine Gewissheit gab, keinerlei Gewissheit, und genau damit musste man sich zu arrangieren versuchen. Und als ob es im Übrigen etwas ausmachte, wenn Frau oder Kind in neuer Gestalt zurückkehrten. Wer zum Teufel hatte denn was davon?
    Erst als er den Radweg erreicht hatte, drosselte er das Tempo seiner Schritte. In der Ferne tauchte schon die Wiese auf. Das ganze Gelände war mit rot-weißen Bändern abgesperrt. Einige hoch aufgeschossene Jungen mit Fahrrädern schauten zu. Laurens fiel ein, dass er seine eigenen Kinder und die Zwillinge zu Bett hatte bringen wollen. Womöglich las Yaja ihnen jetzt gerade aus Die Rückkehr des Vampirs vor.
    Als er näher kam, sah er Bobbie zwischen

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