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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
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den Jungen stehen. Sie war über das Absperrband hinweg in ein heftiges Gespräch mit einer Polizistin verwickelt. Er eilte hinzu und legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie sah ihn an, als hätte sie ihn schon viel eher hier erwartet. »Dann erklär du es mal!«, sagte sie.
    »Was ist das Problem?«, fragte er die Polizistin, eine junge Frau mit rundem, wehrlosem Gesicht. Sie schien höchstens sechzehn zu sein.
    »Auch die Angehörigen haben hier keinen Zutritt«, sagte sie. »Das hat man Ihnen doch gesagt, nehme ich an.«
    »Aber ihr kennt Babette doch gar nicht«, rief Bobbie aus. »Nachher wisst ihr gar nicht, ob sie es denn auch ist.« Sie trug eine kleine Moltondecke über dem Arm.
    Ein bisschen treudoof antwortete er der Polizistin: »Ja, das hat man uns gesagt.« Sie wollten nicht, dass man ihnen vor die Füße lief und Spuren verwischte. Sie wollten nicht, dass mansah, mit was die Taucher wieder heraufkamen. Sie wollten einfach ihre Arbeit machen.
    »Aber von hier aus können wir doch gar nichts sehen«, beharrte Bobbie. »Guck doch, alle sind am Teich. Die ganzen Männer mit diesen...«
    »Gleich kommen auch noch Hunde«, sagte er, um sie abzulenken. »Stimmt doch, oder?«, fragte er das junge Mädchen in Uniform. Wieso waren die Hunde eigentlich noch nicht da? Wurden Spuren nicht schnell kalt, oder wie das hieß? Wo waren die beiden verständigen Ermittler geblieben, mit denen sie gesprochen hatten? Wer hatte hier die Leitung? Hatte überhaupt jemand die Leitung? Bestand das ganze Team hier womöglich aus lauter blutjungen Rotznasen?
    »Wir tun, was wir können. Wirklich, Sie sollten besser nach Hause gehen.«
    In höhnischem Tonfall wandte Bobbie sich erneut an ihn: »Stell dir vor, sie kennt mich noch nicht mal. Sie ist nicht von hier. Wie soll sie da Babette erkennen?«
    »Wir haben eine Personenbeschreibung«, sagte das junge Mädchen ernst.
    Das nahm Laurens für sie ein. Sie hätte schließlich auch sagen können: »Hier liegen bestimmt keine zwanzig Babys herum, nicht jeder ist so dumm wie Sie.« Er fasste Bobbie beim Arm. »Komm, Bob, lass uns gehen.«
    Halsstarrig blieb sie mit ihrer Decke stehen.
    »Wir rufen sofort an, wenn es etwas Neues gibt, das verspreche ich«, sagte das junge Mädchen. Vielleicht dachte sie ja, er sei der Vater.
    »Ich bleibe hier«, verkündete Bobbie und ließ sich mit einem Plumps im Gras nieder.
    »Hauptsache, Sie bleiben hinter der Absperrung.« Wohl oder übel setzte sich auch Laurens hin.
    Bobbie zog die Knie an und umfasste mit beiden Händenihre Zehen. »Wenn ich den kleinen Schlingel sehe«, murmelte sie, »drück ich sie bestimmt zu Mus. Vielleicht trägst du sie nachher besser nach Hause.«
    Um sie nicht noch weiter zu verstören, nickte er einfach.
    Eine Zeit lang sagten sie beide nichts. Es war nicht zu erkennen, was sich am Wasser abspielte. Ab und zu krachte das Walkie-Talkie der Polizistin, die unerschütterlich auf ihrem Posten stehen blieb, aber es wurde offenbar nie eine Meldung durchgegeben. Die schaulustigen Jungs hatten sich längst verzogen. Dann und wann kam ein Radfahrer oder jemand mit seinem Hund vorüber. Niemand schien sich näher für das Geschehen zu interessieren. Aber es war auch nicht viel Dramatisches erkennbar. Nicht einmal ein Auto mit Blaulicht stand da. Man wollte offenbar möglichst wenig Aufsehen erregen.
    »Sie taucht bestimmt wieder auf«, sagte Laurens.
    »Na, das ist ja wohl das Mindeste!« Bobbie war empört. Dann begann sie hämisch zu lachen. »Hast du das auch gemerkt, vorhin? Dieser eklige Kerl weiß überhaupt nichts von Babys. Nicht mal, dass sie zuerst Fische sind.«
    »Nur kluge Menschen wissen solche Sachen.«
    »Vielleicht war ich ja ein Goldfisch. Schade, nicht, dass man später nichts mehr davon weiß. Und komisch, dass man sich trotzdem manchmal so danach zurücksehnt.«
    Er sah sie an. »Geht dir das denn so?«
    »O ja.« Ihr Gesicht nahm einen verträumten Ausdruck an, als stelle sie sich vor, wie sie in noch ungeborenem Zustand zufrieden in lauer Ursuppe schwamm.
    Zögernd sagte er: »Bobbie, weißt du vielleicht auch, was Menschen... danach werden?«
    »Wonach?«
    »Nach ihrem Leben als Mensch, meine ich.«
    Sie dachte kurz nach. »Na, eine Leiche, oder?«
    »Ja, aber danach?«
    »Ach, dann. Dann verwesen sie, und dann gelangen sie in alle möglichen Tierchen und Bäume, und dann sind sie eigentlich überall.«
    »Eigentlich überall.« Er spürte, wie seine Kehle trocken wurde. »Ja, so was hatte ich mir

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