Der Ausflug
um Lösegeld ging, würde Beatrijs bestimmt helfen. Die verdiente mit ihrer Kunsthandlung Geld wie Heu und hatte selbst weder Kind noch Kegel. Ja, auf Bea konnte sie zählen. Nur, würde überhaupt Geld gefordert werden?Wie wahrscheinlich war das? Das passierte doch nur steinreichen Familien?
Sie starrte auf ihre Fingernägel, die nach ihrer Schwangerschaft noch immer etwas brüchig waren. Babette hatte allen Kalk aus ihr herausgesogen, für ein gesundes Rückgrat und stabile Knochen. Meine stramme Tochter.
Ihr Kind konnte genauso gut tot sein.
Nein, dachte sie, das würde ich spüren, das wüsste ich. Und hatte Leander es nicht bestätigt? Er hatte gesagt, dass sie noch lebte, das hatte er selbst gesehen, so deutlich wie nur was. Ihre kleinen Zehen, die sich noch fröhlich krümmten. Ihre kleinen Fäuste, die sich öffneten und schlossen. »Sie ist noch unter uns«, hatte er gesagt, ohne das geringste Zögern hatte er das zu Timo und ihr gesagt. Seine bedächtige Stimme klang noch immer in ihrem Kopf nach. Sie ist noch unter uns.
Sie hatten ihm das Gummiband mit den Plastikentchen gegeben und den Stoffhasen, der immer bei Babette in der Wiege lag. Diese Sachen würde er mit in die Nacht nehmen, so nannte er das, das war seine Arbeitsweise. Eine Nacht darüber schlafen. Sie ist noch unter uns.
Das Geräusch von Schritten auf der Treppe ließ sie aufhorchen. Das musste Timo sein, mit der Milchpumpe. Ihr Hemd war inzwischen so gut wie durchweicht.
Doch es war Yaja, die mit blitzenden Augen ins Babyzimmer trat. »Babette war im Fernsehen!«, rief sie.
Gwen schnellte hoch. »Haben sie sie? Haben sie sie gefunden?«
»Nein, natürlich nicht, es war nur ein Foto von ihr. Das haben sie in so ’nem speziellen Polizeibericht gezeigt. Stell dir vor, direkt vor der Soap!«
Gwen musste sich am Rand der Wiege festhalten, so rasch folgten Ratlosigkeit, unendliche Erleichterung und neuerliche Verzweiflung aufeinander. Ein Schleier senkte sich vorihre Augen. Einen Moment lang dachte sie, sie würde umkippen.
Yajas blutrot angemalter Mund bewegte sich immer noch. »... prime time, da kannst du davon ausgehen, dass die ganzen Niederlande es gesehen haben. Das war echt total geil! Kann nicht mehr lange dauern, bis hier Journalisten vor der Tür stehen.«
Sie hielt sich eine Hand an die klamme Stirn. »Journalisten?«
»Eure Adresse sickert garantiert sofort durch.«
»Aber das will ich nicht«, stammelte sie.
»Der Presse solltest du aber besser Rede und Antwort stehen, die sollte man nicht gegen sich haben.« Yajas Phlegma und Lustlosigkeit waren wie verflogen. Sie sprühte nur so vor Energie.
Gwen begann zu beben. Sie musste die Hände zusammenpressen, um dem Mädchen nicht in das versessene weiße Gesicht zu schlagen. Für diese Halbwüchsige war dies alles reine Sensation. Endlich passierte hier was. Endlich mal ein bisschen Action. Wer weiß, wozu so eine egoistische kleine Schlampe fähig war, um sich ein bisschen Abwechslung zu verschaffen. Womöglich hatte sie Babette eigenhändig zur Seite geschafft, um Leben in die Bude zu bringen! Hatte sie nicht andauernd so widerwärtige Anspielungen gemacht, dass sie das Baby... Verdammt! Sie war als Erste von der Wiese weggegangen, sie hatte Babette mitgenommen und sie in aller Ruhe irgendwo versteckt! Nur für den Kick! Für heulende Sirenen, Pressefotografen und die Nachrichten!
Außer sich vor Wut packte sie das Mädchen bei den Schultern und schüttelte es durch. »Was hast du mit Babette gemacht? Wo ist sie?«
Yaja stieß einen Schrei aus. Die Haare peitschten ihr um den Kopf, der eine Ohrring flog ihr ab.
»Das ist kein Spiel, verdammt noch mal! Wo hast du mein Baby gelassen?«
Yaja konnte sich losreißen. »Fuck off!«, kreischte sie. »Du bist ja irre, bitch!« Sie schnappte sich ihren Ohrring vom Fußboden, stieß die Tür auf und flüchtete aus dem Zimmer.
Keuchend stützte sich Gwen auf die Kommode. Schmerzhaft hämmerte ihr Herz gegen ihren Brustkasten. Es kostete sie einige Minuten, sich wieder in die Gewalt zu bekommen. Als die Wut etwas abgeebbt war, setzte sie sich wieder an die Wiege unter dem Fenster. Mit unsicherer Hand ordnete sie Babettes Decke mit den Teddybären darauf. Wenn Yaja jetzt nur nicht schnurstracks zu Leander ging, um sich zu beklagen. Er würde ihren Ausbruch hoffentlich verstehen. Die Anspannung. Die quälende Unsicherheit. Von der hatte er sie mit seiner beruhigenden Mitteilung doch gerade befreien wollen. Jetzt dachte er
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