Der Ausflug
schon gedacht.«
»Das hat Timo mir mal erklärt. Was meinst du, ob ich mir wohl ein Stück von dem Band nehmen darf?«
Er sah Veronicas Augen vor sich, funkelnd vor innerem Vergnügen. Man wusste nie, ob sie einen nicht durch den Kakao zog.
Bobbie zupfte ihn am Ärmel. »Laurens! Hast du ein Taschenmesser dabei?«
»Ja.« Er hatte sie eigenhändig begraben, hatte jedenfalls beim Tragen des Sargs geholfen und eine Hand voll Erde in ihr Grab geworfen. Komm, Toby, nimm auch etwas Erde, he, du Äffchen, nicht in die Haare schmieren, gib mir mal deine Hand, ich halt dich fest, und dann nehmen wir Abschied von Mama. Abschied. Das hatte er wirklich gedacht.
»Dann bewahr ich das Band für Babette auf, als Andenken.« Bobbie breitete die Arme aus und hielt die Hände etwa einen Meter weit auseinander. »So ein Stück, guck doch mal, das müsste reichen.«
Babette. Hastig erhob er sich.
Das Band war zwischen Eisenstiften gespannt, die in aller Eile in den Boden geschlagen worden waren. Nicht weit von dort entfernt, wo er stand, baumelte ein loses Ende über dem Gras. Direkt daneben blickte die junge Polizistin mürrisch vor sich hin.
»Dürfte ich vielleicht...« Er machte eine Gebärde mit dem Taschenmesser.
Ihr stieg die Zornesröte in die Wangen. »Nein, Sie dürfen wirklich nicht durch.«
»Nur ein Stückchen von dem Band.« So was Idiotisches, als wäre er ein Katastrophentourist! Beinahe hätte er als Erklärung hinzugefügt, dass es ein kleines Souvenir für Babette sein sollte, konnte es sich aber gerade noch verkneifen. Rasch schnitt er ein Stück von dem lose hängenden Band ab.
Die Polizistin sagte nichts. Aber ihrem Blick nach zu urteilen glaubte sie, er sei von allen guten Geistern verlassen.
»Vielen Dank«, murmelte er und klappte das Messer so schnell wieder ein, dass er sich beinahe geschnitten hätte. Rasch stahl er sich davon.
Ungerührt nahm Bobbie das Band entgegen, rollte es auf und steckte es sich in die Jackentasche.
Er blieb vor ihr stehen. »Komm, lass uns jetzt gehen.« »Ich gehe nicht ohne Babette nach Haus, auf keinen Fall.« »Aber sie suchen hier eigentlich nur nach Spuren. Sie suchen hier nach... danach, wo sie suchen müssen.«
»Stümper!«
»Bald wird es dunkel. Und dann sitzt du hier alleine.« Mein Gott, wie gemein. Aber es zeigte Wirkung: Nervös fingerte sie am Saum der kleinen Decke und erhob sich sofort. Mit hängendem Kopf stand sie da. Ihre Miene sprach Bände: Nicht einmal Babette zuliebe konnte sie dieser Aussicht trotzen.
Er hakte sie bei sich unter und stellte sich blind für ihre Beschämung. »Wir warten zusammen zu Hause am Telefon. Wir bleiben einfach die ganze Nacht auf, mit allen Lampen an. Ja?«
Sie gab einen unwirschen Laut von sich und setzte sich zögernd in Bewegung. Alle paar Meter schaute sie noch einmal kurz über ihre Schulter zurück. Wären wir doch nur mutiger. Wären wir doch perfekt. O ja, er wusste genau, wie sie sich fühlte: Wären wir doch nur keine armseligen Sterblichen.
Am Kanal kamen ihnen zwei identische blaue Autos entgegen. Das waren bestimmt die mit den Hunden, endlich. Genau in dem Moment fing es sachte an zu nieseln.
Erschöpft saß Gwen an Babettes leerer Wiege mit den zartgelben Biesen. Sie presste eine Stoffwindel an ihre schmerzenden Brüste. Zweimal hätte sie schon wieder stillen müssen, die Milch tropfte nur so aus ihr heraus, aber das war nichts im Vergleich zu den Koliken, die ihr Kind von Flaschenmilch bekommen würde. Wenn sie denn überhaupt jemand fütterte. Wenn...
Was war sie nur für eine Mutter, dass sie ihr kleines Mädchen unbehütet auf einer belebten Wiese zurückgelassen hatte?
Aber zum Glück hatte Babette auch noch ihren Papa. Timo würde alles ins Reine bringen, darauf war Verlass. Er hatte auch so vernünftig von Infrarotkameras und Hubschraubern geredet. Er fehlte ihr jetzt ganz schrecklich, aber sie hatte ihn zur nächsten dienstbereiten Apotheke geschickt, um so einen praktischen kleinen Apparat zu holen, mit dem man die Muttermilch abpumpen konnte.
Wie einsam man letztlich war.
Ihr ganzer Körper schmachtete. Jede Faser, jede Zelle schrie nach Babette. Babette, die sie Victoria hätte nennen sollen. Wo war ihr Mädchen jetzt, und mit wem?
Still, pochendes Herz, beruhige dich. Wir sitzen, wir warten. Wir sitzen und warten.
Dass man selber gar nichts tun konnte!
Inständig dachte sie, ohne selbst genau zu wissen, wen sie damit anrief: Erbarme dich unser, sei uns gnädig.
Moment. Wenn es
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