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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
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es genau gegangen war, konnte er sich nicht erklären, aber es war ihm geglückt. Zumindest in einer Hinsicht, denn schließlich hatte er vor allem verhindern wollen, das allerdings mit Leib und Seele, dass Babette Yaja in die Hände fiel. Da hätte man die Gurken mal hören sollen, wenn Yaja das Baby abgenagt hätte wie ein Kotelett! Er hatte Babette das Leben gerettet. Von nun an würde er als der ganz besondere Junge bekannt sein, der bei Gefahr genau gewusst hatte, was zu tun war. Die dummen Gurken brauchten echt nicht so zu flennen. Sollten Toby und er etwa die Einzigen sein, die jemanden verloren hatten?
    Aber dass Babette auf Dauer vermisst bleiben würde, hatte er nicht gewollt, ehrlich nicht. Irgendetwas musste er doch falsch gemacht haben. Er schlug mit der Faust einmal kräftig in sein Kissen und machte sich bedrückt wieder ans Werk.
    Das mit den Zetteln hatten sich die Engel ausgedacht. Auf diese Weise hatten sie im vergangenen Frühjahr auch ihre Katze wiederbekommen. Am ganzen Kanal entlang würden vor morgen früh jeder Baum und jeder Laternenpfahl mit ihren Aufrufen beklebt sein. Eine Taschenlampe lag schon bereit. Und die Regenjacken auch, denn draußen goss es inzwischen, das Wasser kam echt wie aus Kübeln vom Himmel.
    Filzstifte und Aufgaben waren umsichtig verteilt worden. Marleen und Marise schrieben oben auf jedes Blatt, so groß sie konnten: »Wer hat unsere Schwester gesehen?« Dann gabensie es an Klaar und Karianne weiter, die ein Porträt von Babette darunter zeichneten, das jedes Mal ein bisschen anders ausfiel. Niels fügte zum Schluss die Telefonnummer hinzu und ließ Toby, der noch nicht schreiben konnte, einen dicken Strich darunter ziehen.
    »Schön, nicht?«, fragte sein kleiner Bruder jedes Mal. »Toll«, sagte er, zerstreut und ängstlich.
    »Mist«, rief Marleen, »jetzt ist das Papier alle.«
    »Wir haben aber doch schon eine ganze Menge«, meinte Marise.
    Die Mädchen fingen gerade an, die schon fertigen Zettel in Plastikhüllen zu schieben, als mit einem Knall die Tür aufflog und Yaja sich mit langsamen, zielgerichteten Schritten mitten zwischen ihren Matratzen aufbaute. Turmhoch überragte sie alle. Sie trug spitze schwarze Stiefel mit abgetretenen Absätzen. Stiefel, die einmal mehr deutlich machten, zu was sie alles imstande war. Yaja war wie eine Erscheinung, die Niels nur aus Träumen kannte, aus Träumen, die er am liebsten schnell wieder vergaß, Träumen, in denen hinter jeder angelehnten Tür und jedem beschlagenen Fenster ein Verfolger lauerte.
    »Was willst du hier?«, fragte Marleen in streitlustigem Ton.
    Yaja stemmte die Hände in die Seite. »Eure Mutter ist echt total durchgeknallt. Die hat mich vorhin angemacht, als hätte ich Babette ermordet.« Wütend bohrte sie ihre Stiefelspitze in die erstbeste Matratze, die von Karianne. »Sie hat mir den Ohrring rausgerissen! Hier, seht euch das mal an!«
    Marleen schwang die Beine über ihre Bettkante und stürmte auf Yaja zu. »Ach ja? Ach ja? Und wer sagt, dass du unschuldig bist? Du wolltest Babette doch auch mit nach Hause nehmen, oder?«
    Marise fuhr ebenfalls hoch. »Und weil du sie nicht haben durftest, hast du sie natürlich gleich...«
    »Holy shit, Mann! Fangt ihr jetzt auch schon an?«
    »Weil du nämlich selbst keine Schwester hast, stimmt’s? Darum wolltest du unsere klauen!«
    Yaja studierte ihre Fingernägel. »Was hätte ich denn dann davon, das kleine Ding abzumurksen? Schalt doch mal deine Lampe an, Mensch! Mir fällt echt was Besseres ein, was ich mit ’nem Baby machen könnte.«
    Die Engel wechselten wüste Blicke, die Augenbrauen weit hochgezogen. »Dann beweis es!«
    »Was soll ich beweisen?«
    »Dass du Babette nicht umgelegt hast!«
    Yaja musste leicht grinsen. »Get real. Umlegen ist was für Jugos. Mit so Biwakmützen, wisst ihr.« Sie formte mit den Händen ein offenes Viereck, das sie sich um die Augen hielt. Dann sagte sie, schon wieder tödlich gelangweilt: »Okay, von mir aus. Ich werd’s beweisen.« Sie drehte den Kopf herum und ließ den Blick suchend durchs Zimmer wandern.
    Niels zog Toby an sich. Er wagte kaum noch zu atmen, angespannt wartete er auf den Moment, da die Tropfsteinhöhlenaugen auf ihn fallen und hinterhältig aufblitzen würden: Der da. Der steckt dahinter.
    Aber Yaja fragte, um sich spähend: »Gibt’s hier irgendwo ein Glas?«
    Die Engel waren sichtlich hin- und hergerissen. Sollten sie dieses Scheusal nicht lieber vermöbeln? Aber offenbar siegte die Neugier,

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