Der Ausflug
Lebenslust. Dieses kurze Gedächtnis. Bald, vielleicht morgen schon, würde Toby wieder Grund haben, herzzerreißend um seine Mama zu weinen, aber zwischen diesen Momenten des Kummers ging das Leben weiter, und er sprühte vor Energie. »He, mein kleiner Frosch«, sagte er verloren.
»Ich bin ein Krokodil, Papa.«
Er musste sich noch nach dem neuen Lied erkundigen, doch er wollte nicht in gemeinsamen Gesang ausbrechen, während Beatrijs in Hörweite umherlief, mit diesen hässlichen Sportschuhen. Und dieser Kartoffelsack von einem Rock! Tante Rollmops gehörte in ein etwas zu knappes Kostüm, vorzugsweise fuchsienrosa, mit einer ausgefallenen Brosche auf einem der Revers. So wie sie jetzt aussah, konnte nur Leander dahinterstecken. Der wollte natürlich nicht, dass sie allzu appetitlich aussah, und hatte sich deshalb wahrscheinlich irgendeine kosmisch fundierte Theorie über die Erwünschtheit eines einfachen Äußeren ausgedacht. Eine Art Amish-Ansatz. Mit reiner weißer Haube auf und einem Tuch um die Schultern gemeinsam schlichte Quilts quilten, bei Kerzenlicht. Beatrijs aber andererseits diesen ekelhaft protzigen Ring an den Finger schieben. Einen Ring, der signalisierte: Die Trägerin gehörte jemandem.
Aber gut. Ihm konnte es ja egal sein!
Er trocknete Toby ab, zog ihm seinen Bugs-Bunny-Pyjama an und las ihm zweimal Die fünf kleinen Feuerwehrmänner vor.
Danach ging er nach unten, um Niels zu sagen, dass er noch eine halbe Stunde fernsehen dürfe. Dann gab es kein Entkommen mehr. Mit einer Rolle Müllsäcke unter dem Arm ging er wieder nach oben.
Im Schlafzimmer hatte Beatrijs Veronicas Teil des großen Schranks schon leer geräumt und die Sachen auf dem Bett aufgetürmt. Ihre verschlissenen Jeans. Das verrückte T-Shirt mit den aufgenähten Holzperlen, das sie so gern getragen hatte. Der schöne schwarze Kenzo-Blazer. Ihm schoss das Blut in den Kopf. Er musste sich kurz auf die Bettkante setzen.
Beatrijs hielt ein kornblumenblaues Sommerkleid hoch. »Das haben wir noch zusammen gekauft.« Sie klang, als sei sie den Tränen nahe.
»Mein Gott, wie schaurig, was wir hier machen.«
»Aber ich finde es sehr vernünftig von dir. Die Sachen müssen doch irgendwann mal aus dem Haus.«
Er riss einen Müllsack von der Rolle. Schweigend stopfte er ihn aufs Geratewohl voll.
Auch Beatrijs nahm sich einen Sack. Sie schob eine ganze Blusensammlung hinein. »Möchtest du, dass ich sie zur Heilsarmee bringe?«
Dann könnte hinter jeder Straßenecke plötzlich ihr blaues Kleid auftauchen oder eines ihrer geliebten Holzfällerhemden, und jedes Mal würde ihm der Atem stocken, weil ein anderer Körper darin steckte als der ihre, als ihr herrlicher Körper. »Ich stelle lieber alles zum Müll raus. Wenn also für dich noch etwas Brauchbares dabei ist, musst du jetzt zuschlagen.«
»Es ist nicht meine Größe.«
Er fischte eine Strickjacke hervor. »So was passt doch jedem! Hier. Als Andenken.«
»Blau war Veronicas Farbe.«
Plötzlich musste er sich beherrschen, um sie nicht anzufahren. Dann nimm doch ’ne andere Farbe, Mensch! Veronica hätte nie zugelassen, dass ihre Freundin so hausbacken herumlief. Sie hätte ihr diesen üblen Leander-Plunder längst eigenhändig vom Leib gestreift. Warum sagte Gwen nichts dazu? Aber Gwen war wohl blind vor Sorgen. Abrupt sagte er: »Ich geb Niels mal eben einen Gutenachtkuss.«
Das konnte er nicht machen, sagte er sich auf dem Flur ein, dass er unfreundlich zu Beatrijs war, einer der Busenfreundinnen seiner Frau, noch dazu, wo sie ihm helfen kam.
Sein Sohn lag noch nicht im Bett. Er saß in seiner Jacke am Schreibtisch und las einen Comic, den Kopf in die Hände gestützt.
»Es ist schon nach halb acht, Freundchen.«
»Ich bin nicht müde.«
»Und ob, dir kullert schon fast der Kopf runter.«
Niels reagierte nicht. Rhythmisch stieß er gegen das Tischbein, während er eine Seite umschlug.
Laurens dachte: Ich muss mit ihm reden, ich muss ihn von diesem Geheimnis erlösen, das er mit sich herumträgt. Machtlos sagte er: »Na gut, noch eine Viertelstunde. Aber keine Minute länger. Ich komm gleich wieder und schau nach, ob du im Bett liegst.«
Mit dem Gefühl, auf ganzer Linie zu versagen, kehrte er zu Beatrijs zurück, die gerade einen Müllsack mit Schuhen füllte. Er konnte sehen, dass sie geweint hatte.
»Ich nehm dann gleich alles mit. Sonst hast du womöglich noch tagelang die Säcke im Flur stehen. Weg ist weg.«
»Du kannst erstaunlich praktisch sein,
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