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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
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sie immer nur auf hohen Absätzen erlebt. »Na, Schönheit?«, sagte er.
    »Tag, Laurens.« Sie musterte ihn, als sei sie ihrerseits mindestens genauso erstaunt über sein Aussehen.
    In der morgendlichen Hektik mit den Jungs kam es zurzeit öfter mal vor, dass er das Rasieren versäumte. Hastig strich er sich die Haare glatt und zog nochmals seine Krawatte zurecht.
    Sie ging an ihm vorbei in die Küche. »He, Niels, alter Gauner.«
    Niels schaute wenig entgegenkommend auf. »Hi, Tante Rollmops.«
    Toby fing laut an zu lachen. »Verschimmelter Rollmops, musst du sagen!«
    »Angeschimmelter, du Dämel«, sagte Niels. »Angeschimmelter Rollmops?«, sagte Beatrijs und schaute mit großen Augen vom einen zum anderen.
    Was waren denn das für Manieren? Was war bloß in die Kinder gefahren? Ohne nachzudenken, warf Laurens ein: »Angehimmelt ist natürlich das Wort, das wir suchen.«
    »Angehimmelter Rollmops also«, konkludierte Beatrijs. Sie schüttelte kurz den Kopf.
    »Jacke aus, Niels!«, blaffte Laurens. »Ein Glas Wein, Beatrijs?«
    Sie setzte sich. »Eure Mutter...«, setzte sie an.
    »Ich habe einen Weißen kalt stehen.« Laurens stolperte in ihrem Rücken zum Kühlschrank.
    »Eure Mutter nannte mich früher in der Schule Bessie Turf.« Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Und ich sie Tante Sidonia. Wie du mir, so ich dir.« Sie lachte. »Angehimmelter Rollmops, das stammt sicher auch von ihr, oder?«
    »Wer ist Bessie Turf?«, fragte Niels. »Und diese Tante...«
    »Sidonia. Das sind die Klassiker unserer Kindheit, du Lauselümmel«, sagte Beatrijs. »Gwen war Daisy Duck. Was ist denn jetzt mit dem Wein, Laurens? Und warum setzt sich das andere kleine Ekel nicht gemütlich bei seiner angehimmelten Tante Rollmops auf den Schoß?«
    Toby warf sich begeistert gegen ihre Beine und hangelte sich an ihren Knien hoch. »Ich kenn ein neues Lied.«
    »Dann schieß los.«
    »Du musst dabei in die Hände klatschen.«
    »So?« Sie nahm seine Hände und schlug sie mit den Handflächen gegeneinander.
    Laurens stellte ein Glas Wein vor sie auf den Tisch und legte ihr kurz die Hand auf die Schulter. Auf ihrem Schoß kringelte sich sein Sohn vor Begeisterung. He, Toby, mein Kleiner, hast du gehört? Wir haben jetzt eine neue Geschichte über Mama, noch dazu eine von früher. Früher war Mama auch klein, genau wie du. Wir bitten Tante Beatrijs einfach, jede Woche einmal zu uns zum Essen zu kommen, um dir davon zu erzählen, wie Mama früher war. Ob sie auch solche tollen Sandburgen bauen konnte. Ob sie auch solche Angst vor großen Hunden hatte. Ob sie auch solches Heimweh hatte, wenn sie irgendwo anders schlafen musste. Ob sie früher genauso lieb war wie du, und manchmal genauso ungezogen.
    Dann fiel sein Blick auf Niels. Tante Rollmops, wie kam er nur darauf? Er hatte Beatrijs doch wohl nicht absichtlich verletzen wollen? Es war manchmal so schwer einzuschätzen, was in ihm vorging. Diese barsche, unzugängliche Haltung von ihm in letzter Zeit. Vielleicht war es einfach die Reaktion eines Kindes, das seinen Kummer, seine Wut, seinen Verlust noch nicht in Worte fassen konnte, aber vielleicht steckte auch mehr dahinter. Niels hatte neuerdings etwas an sich – da musste er sich schon schwer täuschen, wenn dem nicht so war –, was man vielleicht nicht direkt als hinterhältig bezeichnen konnte, aber etwas Heimlichtuerisches hatte es schon. Er war nicht mehr offen, das war es. Er benahm sich wie jemand, der etwas auf dem Gewissen hat, schuldbewusst, verstohlen.
    Laurens stellte die Schalen mit dem Nasi und dem Bami in die Mikrowelle, zog das Krupuk aus dem Zellophan und füllte die Beilagen in Schüsselchen um. In was für geheime Praktiken konnte denn ein Siebenjähriger verwickelt sein? Und wie kam man als Vater dahinter? Aber vielleicht war ja er als Vater gerade das Problem. Erziehung fand momentan herzlich wenig statt. Dafür blieb einfach keine Zeit. Er war schon froh, wenn sie alle einigermaßen regelmäßig was Sauberes anzuziehen,Schnürsenkel in den Schuhen und einen vollen Magen hatten, und wenn Niels auch noch zur rechten Zeit sein Turnzeug oder seine Blockflöte dabeihatte. Und wie sollte man es im Übrigen fertig bringen, energisch gegen so ein kleines Kerlchen aufzutreten, das erst vor einem halben Jahr seine Mutter verloren hatte? Toby und er schliefen immer noch mit einem Pullover von ihr unter der Bettdecke. Ein besserer Trost war ihm nicht für sie eingefallen. Schon mindestens zwölfmal hatte er

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