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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
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Beatrijs.«
    »Ja, und erstaunlicherweise wundern sich darüber immer alle.«
    »Jetzt nur noch diese Kommode.« Er zog die oberste Schublade mit Unterwäsche auf. In seinen Schläfen begann eszu pochen. Das letzte Mal, als er in diese Lade geschaut hatte, bei einem früheren, gescheiterten Versuch, sie aufzuräumen, hatte doch nicht dieser geblümte BH oben gelegen, oder? Er war alt und verwaschen, Veronica hatte ihn schon jahrelang nicht mehr getragen, aber sie hatte nie etwas wegwerfen können. Sogar ihre alte Unterwäsche wurde aufbewahrt, unter vielen Lagen von Dessous neueren Datums.
    »Was starrst du denn so?« Beatrijs trat neben ihn. »Oh.«
    Er hob einen Müllsack vom Fußboden auf und kippte den gesamten Schubladeninhalt auf einmal hinein.
    »Lass mich das mal machen.« Mit sanfter Hand schob sie ihn beiseite. Sie zog die nächste Lade auf, nahm einen kleinen Stapel Slips heraus und stopfte sie in einen Sack. »Komm schon, Laurens. Bring du das Übrige schon mal ins Auto.«
    Er fühlte sich fiebrig, als er einen Arm voller Säcke nach unten trug. Mitunter hatte Veronica ihm mitten auf einem gut besuchten Empfang, bei einer Geburtstagsfeier oder in einer Fußgängerzone achtlos und ohne eine Miene zu verziehen einen zusammengeknüllten schwarzen Spitzenslip in die Hand gedrückt: Ich hab Lust auf dich.
    Beatrijs’ Auto stand direkt vor dem Eingang. Aber ohne ihre Schlüssel konnte er nicht mit dem Einladen beginnen. Ich stell dich kurz vor der Tür ab, Veer, ja?
    Nein, das konnte er natürlich nicht. Er zerrte die Säcke wieder ins Haus. Mit geschlossenen Augen ruhte er kurz in der Diele aus, an die Wand gelehnt, an der die eingerahmten Urlaubsfotos hingen, auf denen noch eine große Familie zu sehen war. »Beatrijs!«, rief er nach oben.
    »Gleich!«, rief sie zurück.
    Er sah sie vor sich, wie sie ein letztes hauchdünnes Nichts einpackte. Aber warum eigentlich? Warum tat sie das und nicht er selbst? Herrgott, war sie schnell dabei gewesen, ihnbeiseite zu schieben, die Höschen zusammenzuraffen, sich der Unterwäsche Veronicas anzunehmen!
    Wozu hatten Frauen Freundinnen? Um vertraulich mit ihnen schwatzen zu können. Er brauchte sich nur die Fotos anzuschauen, die da direkt vor seiner Nase hingen. Hier, da saßen die zwei, vor ein paar Jahren, beide mit großen Sonnenhüten auf und einander über einer Tafel zugeneigt, die so chaotisch aussah und so ratzeputz leer gefuttert war, als hätte sich gerade ein Krähenschwarm darüber hergemacht. Veronica hörte zu, in der Veronica-Zuhörhaltung: das Kinn in die Hand gestützt, mit der anderen Hand das Haar aus dem Gesicht haltend. Beatrijs sagte gerade etwas, ihr Mund war halb geöffnet. Weißt du, Vero, eigentlich langweile ich mich bei Frank zu Tode.
    Schon seit dem Kindergarten hatten sie ihre Leben miteinander geteilt, einander ihre Geheimnisse anvertraut, da bedurfte es nicht vieler Worte.
    Plötzlich war ihm, als bekäme er einen Stoß in den Magen. Natürlich hatte Beatrijs von Veronica erfahren, was er selbst mit aller Macht vergessen wollte. Vergessen war nicht das richtige Wort. Verboten hatte er es sich in den vergangenen Monaten, streng verboten, daran zu denken. Zwölf Jahre Zusammengehörigkeit und Freude, das war der positive Saldo seiner Ehe. Ihr unbändiges Lachen, ihre langen braunen Beine, ihre Versessenheit auf süße Nachspeisen, die Art, wie sie manchmal mit konzentriert zusammengekniffenen Augen die Krawatte für ihn gebunden hatte, das war Veronica gewesen, sein Mädchen. Aber so schnell, wie Beatrijs ihre Unterwäsche hatte verschwinden lassen, wusste sie offenbar auch von anderen Dingen...
    Zwölf Jahre verheiratet, und dann plötzlich so eine spektakuläre Eroberung. Das hätte sie natürlich niemals für sich behalten können. Wie hatte er sich je einreden können, Frauenwürden untereinander über so etwas schweigen? Du ahnst nicht, was mir passiert ist, Beatrijs. Ich hab diese Woche einmal fast den Zug verpasst, stürze mich also durch die erstbeste Tür hinein, um noch an Bord zu kommen, und bin im Fahrradwaggon gelandet. Und du glaubst es nicht...
    Beatrijs kam die Treppe herunter. »Ach, du brauchst meine Schlüssel. Ich hab die Rückbank schon umgeklappt, es ist also jede Menge Platz.«
    Er wagte nicht, sie anzusehen. Blicklos nahm er die Schlüssel entgegen, ging nach draußen, warf die Säcke hinten ins Auto und rannte gleich wieder nach oben, um die letzte Ladung zu holen. Er würde ihr natürlich auch noch etwas zu

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