Der Ausflug
wurde eiskalt. Er hätte die Finger von ihren Sachen lassen sollen.
Dann hätte er in aller Ruhe weiter vergessen können, dass sie Zuflucht in fremden Armen gesucht hatte, und Niels wäre bei ihm geblieben. Was hatte er da entfesselt?
Sein Blick fiel auf die Bettwäsche. Zwischen den Falten der Decke lugte der Ärmel eines beigen Pullovers hervor: ihr Pullover, der mit dem weiten Schalkragen. Er schnappte nach Luft und sagte: »Siehst du? Ich habe gar nicht alles weggetan.«
Im selben Moment hörte er Niels’ Stimme aus Tobys Zimmer.
»Babette«, sagte sein Sohn in gebieterischem Ton, »Babette, hörst du mich? Antworte, Babette.«
Ertappt
»Was hast du denn da für ’n beknacktes Sofa, Pa? Das ist ja voll peino!« Auf der Schwelle zum Wohnzimmer blieb Yaja stehen, schaudernd vor offenbar unbezähmbarem Grausen. Dann kam sie aber doch herein und ließ ihre Wochenendtasche auf den Boden fallen, haarscharf an der Schale mit den zwölf friedlich darin schwimmenden Teelichtern vorbei.
»Tag, Yaja«, sagte Beatrijs und schlug widerstrebend die Zeitung zu. Beim Licht schwimmender Kerzen zu lesen, war zwar ein Genuss, sah in Yajas Augen aber bestimmt nach hochgradig affigem Getue aus.
»Kuschel dich gemütlich an den Kamin. Ich mach dir ein Feuer an«, sagte Leander. Fürsorglich half er seiner Tochter aus ihrer triefnassen Jacke. Auf dem kurzen Stück vom Bahnhof nach Hause hatte der Regen sie beide völlig durchweicht. Unter dem ganzen verlaufenen Schwarz, Rot und Weiß wirkte Yajas Gesicht kleiner als sonst, verletzlicher.
Beatrijs schämte sich, dass sie automatisch gedacht hatte: Da ist sie wieder, die Giftkröte. Fest entschlossen, sich von ihrer besten Seite zu zeigen, eilte sie ins Badezimmer, um ein paar Handtücher zu holen. Sie hatte die beiden mit Tee und selbstgebackenen Scones empfangen wollen, doch der Teig hatte nicht gehaftet, sie hatte keine Kohäsion hineingebracht, das Mehl hatte sich einfach nicht mit der Milch verbinden wollen – vielleicht lag es an der fettarmen Milch, andere hattensie nicht im Haus, aber auf so etwas hätte eigentlich auf der Verpackung hingewiesen werden müssen. Der Fehlschlag hatte sie echauffiert, und jetzt noch dieser Regenschauer, man könnte fast meinen, auch der sei ihre Schuld.
Yaja stand immer noch da und blickte missbilligend auf die antike Chaiselongue.
»Das stammt aus meiner vorigen Wohnung«, verteidigte Beatrijs ihr Möbelstück. Sie strich kurz mit der Hand über das seidenweiche Gobelinpolster. Dann gab sie ihrer Leasing- Tochter ein Handtuch.
» Wohnt sie jetzt etwa auch hier?«, fragte Yaja ihren Vater. »Ja, sicher. Wozu brauchen wir zwei Wohnungen? Ich bin nun mal kein Freund von überflüssigem Luxus.«
»Und wo soll ich dann bleiben?«
»Na, auch hier, in deinem eigenen Zimmer eben.«
Beatrijs kniete sich neben ihn, um ihm die Haare zu frottieren. »Wir wohnen jetzt nicht nur zusammen, Yaja, wir werden auch...«
»Beatrijs. Wir möchten vielleicht erst einmal etwas trinken.«
Er wollte es Yaja natürlich selber sagen. Wenn sie mal wieder einfach so damit herausplatzte, zerschlug sie nur Porzellan, und dann musste er sie später wieder korrigieren, was er furchtbar hasste. Schnell stand sie auf.
In der Küche fand sie zum Glück noch eine Packung Spritzgebäck zum Tee. Er war im Gegensatz zu seiner Tochter durchaus mit der Chaiselongue einverstanden, das hatte er selbst gesagt. Er schätze das solide Handwerk, das in so einem jahrhundertealten Sofa stecke, hatte er gemeint. Mit Hingabe und Geduld seien die Beine aus Ebenholz gedrechselt worden, sorgsam hätten emsige Hände das französische Lilienmotiv Stich für Stich in das Polster gestickt. Die Chaiselongue war kein Prunkstück, sondern eigentlich ein Mahnmal gegen Hast und Prätention.
Frank hatte sie für verrückt erklärt, dass sie sonst nichts aus ihrer alten Wohnung hatte mitnehmen wollen. Aber warum musste ein Mensch siebzehn verschiedene Vasen und zwölfhundert lediglich dekorative Objekte besitzen? Ganz zu schweigen von all den halben Tafelservicen, die für den Fall, dass sie irgendwann einmal vollzählig gebraucht werden könnten, auf dem Dachboden lagerten. Oder all den Kartons mit vergilbter Korrespondenz aus der Zeit, als man noch Briefe schrieb, all den Fotoalben, all den Büchern, die man doch nie wieder lesen würde, all den Kissen in ihren glänzenden bunten Bezügen, all den Körben mit getrockneten Hortensien: nichts als Ballast. Typisch Frank, mit einer
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