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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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Tag?« Mitch legte das Sakko über Jenns Hocker, knöpfte sich die Ärmel auf und krempelte sie hoch. »Eine Stimmung ist das hier, ich komm mir vor wie bei einer Smiths-Reunion.«
    »Ich bin einfach aus dem falschen Bett aufgestanden«, antwortete Alex. »Das kennst du doch, Mitch? Manchmal steht man eben aus dem falschen Bett auf.«
    »Du meinst, mit dem falschen Fuß.«
    »Ach ja. Stimmt.« Doch in Alex’ Blick lag eine Art Vorwurf. Aber warum? Sollte er sich etwa schämen, mit Jenn geschlafen zu haben?
    Frage: Wer steht um zwei Uhr nachts vor der Tür einer Frau?
    Mit einem Mal war ihm alles klar. Die vielen Blicke zwischen Alex und Jenn, die eine Millisekunde zu lang angehalten hatten. Die vielen gemeinsamen Taxifahrten – wie praktisch, dass sie beide im Norden der Stadt wohnten! Und schließlich Alex’ miese Laune heute Abend, die Tatsache, dass er ihm immer noch nichts zu trinken geben wollte und ununterbrochen Streit suchte.
    Antwort: Ihr Lover.
    Seine Eingeweide verknoteten sich. Alex! Alex mit seinen breiten Schultern, seinen Muskeln und seinen rührseligen Geschichten vom lieben Töchterchen. Und das, obwohl er gewusst hatte,   die ganze Zeit gewusst hatte , dass Mitch hoffnungslos verknallt war. Die ganze Zeit hatte er mit ihr geschlafen.
    Ihm wurde heiß. In der Bar hing stickige, drückend schwere Luft, fast wäre er umgekippt. Die Welt geriet ins Wanken, oder war es er, der ins Wanken geriet? War er wieder der unbeholfene, schüchterne Junge, der in der Sportstunde mit der Fresse auf den Boden knallte? Gleich würden ihn die anderen auslachen. Genau wie früher.
    Nein. Das ist dein altes Ich. Das bist du nicht mehr.
    »Jungs, jetzt reißt euch doch mal zusammen.« Jenns Blick wanderte durch die Runde, sie strich sich das Haar hinter die Ohren. »Wir wollten doch feiern.«
    »Und was sollen wir feiern?« Alex sah aus, als würde er ihm jeden Moment den Hals umdrehen. »Dass alles scheiße ist, oder was?«
    »Junge.« Ian blickte von seinem leeren Glas auf. »Jetzt mach dich mal ein bisschen locker.«
    »Bitte? Ich soll mich locker machen?« Alex schüttelte den Kopf. »Ich bin zweiunddreißig Jahre alt. Ich arbeite als Barkeeper. Ich lebe in einem Ein-Zimmer-Apartment in einer erbärmlichen Gegend. Und meine Ex-Frau nimmt mir gerade meine Tochter weg. Vielleicht liegt’s an mir,   aber ich habe mir mein Leben ein bisschen anders vorgestellt .«
    »Das Gefühl kenn ich«, sagte Jenn mit ruhiger Stimme. »Das kennt jeder. Ist ganz natürlich.«
    »Klar,   jeder   muss sich ständig mit irgendwelchen Detectives über irgendwelche Raubüberfälle unterhalten. Das ist ganz natürlich. Sicher.«
    »Und wer ist deiner Meinung nach schuld daran?«, fragte Mitch.
    »Was weiß ich, meinetwegen Meister Proper! Wer auch immer den Laden überfallen und hinten in der Gasse einen Typen erschossen hat!«
    Innerlich schüttelte Mitch den Kopf.   Wollte   Alex auffliegen, oder was? Warum trieb er es derart auf die Spitze, warum machte er derart durchschaubare Andeutungen? Sollte irgendwer ihr Gespräch mithören und Johnny davon berichten, würden sie ernsthafte Probleme bekommen. Kapierte Alex nicht, dass er sie damit alle in Gefahr brachte? Oder war es ihm einfach egal?
    »Rauf auf den Hurensohn«, meinte Ian in erstaunlich realistischem lang gezogenem Tennessee-Tonfall.
    »Was?«
    »Hat mein Dad immer gesagt. Der war von der ganz alten Schule. Ordnung ist das halbe Leben, der frühe Vogel fängt den Wurm und so weiter. ›Junge‹, hat er mir immer erklärt, ›es ist egal, wie oft du vom Pferd fällst. Gleich wieder rauf auf den Hurensohn, das ist die Hauptsache.‹«
    »Na, klasse«, erwiderte Alex, »das hat mir jetzt gefehlt. Lebensweisheiten. Sorry, aber dein Dad interessiert mich grad herzlich wenig. Okay?«
    Ian setzte ein dünnes Lächeln auf. »Klar. Kein Problem, Kumpel. Behandle uns einfach wie Luft.«
    »Jungs«, bettelte Jenn.
    Alles fiel in sich zusammen, aber irgendwie war es Mitch egal. Noch vor einer Woche waren diese Leute seine engsten Freunde gewesen, sein urbaner Stamm. Nur leider hatte alles auf einem riesengroßen Beschiss basiert: Einer kokste heimlich auf dem Klo, der andere vögelte die Frau, die er liebte, und Jenn, tja, Jenn hatte ihm genau darüber ins Gesicht gelogen. Ganz zu schweigen davon, dass ausgerechnet er mit einem Fuß im Gefängnis stand, er, dem das Risiko von Anfang an zu groß gewesen war.
    Nichts war, wie es schien. Alles Lug und Trug. Also scheiß drauf.
    Mitch

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