Der Ausloeser
Freie.
Als er in den Benz stieg, der zwei Straßen weiter auf einem Bezahlparkplatz stand, holte er gleich den Laptop vom Rücksitz. Während der Computer startete, klappte er sein Mobiltelefon auf und wählte erst *67, damit seine Nummer nicht angezeigt wurde, und dann Ian Verdons Nummer.
Beim dritten Klingeln nahm Verdon ab. »Äh, hallo?«
Bennett schwieg. Auf die richtige Inszenierung kam es an.
»Hallo!?«, wiederholte Ian Verdon.
»Ich weiß, was du getan hast. Mach dich auf was gefasst.« Er klappte das Telefon zu und starrte auf den Bildschirm des Laptops.
Dreißig Sekunden lang tat sich nichts. Dann zeigte das Überwachungsprogramm die Nummer an, die der Sender in Verdons Telefon ausgelesen hatte – die Nummer, die Verdon gerade wählte –, und kurz darauf hatte die Inverssuche im elektronischen Telefonbuch den dazugehörigen Namen ermittelt: McDonnell, Mitchell . Nach zwanzig Sekunden brach die Verbindung ab. Keiner zu Hause. Zehn Sekunden später erschien eine weitere Nummer, gefolgt von einem weiteren Namen: Kern, Alex .
Bennett lächelte.
Gott, wie er berechenbare Menschen liebte.
23
JENN LACKIERTE SICH DIE ZEHENNÄGEL UND VERSUCHTE, MÖGLICHST NICHT NACHZUDENKEN.
Eigentlich war sie keine Modetussi. Sie war keines dieser dürren Hochglanz-Mädchen mit perfektem Rundarsch, die ständig Mascara, Eyeliner, Rouge und Kunstbräune im Gesicht hatten, jederzeit bereit, auf den Laufsteg zu stolzieren. Früher hatte sie mal eine Freundin gehabt, die sich immer den Wecker gestellt hatte, wenn ein Kerl über Nacht geblieben war – damit sie in aller Frühe aufstehen, ihr Make-up auflegen und dann perfekt herausgeputzt ins Bett zurückkehren konnte, ein Programm, das sie selbst bei Typen durchgezogen hatte, mit denen sie über Monate zusammen war. Alles in allem hatte das Ganze mehr als anstrengend geklungen.
Aber die Nägel lackierte sie sich trotzdem. Bunte Nägel gehörten einfach zum Sommer, genau wie Strandkleider und Flipflops. Dazu schaltete sie den Fernseher ein, irgendwas leicht Verdauliches; heute sah sie zu, wie Matt Damon im Actor’s Studio seinen Charme spielen ließ. Genau das brauchte sie jetzt: Sie musste sich was gönnen, ein kleines, nettes Ritual, das sie von dem unerbittlichen Rhythmus aus Angst und Schuldgefühlen in ihrem Kopf ablenkte. Seit dem Überfall träumte sie nur noch Albträume, von grellen Blitzen und dunkelroten Flüssigkeiten, von heraufziehenden, grapschenden Schatten. Der Streit im Rossi’s hatte ihre Stimmung nicht gerade gebessert, genauso wenig wie Ians panischer Anruf gestern Abend. Und nur, weil sich irgendein Idiot einen kleinen Telefonstreich erlaubt hatte! Während seiner atemlos gestammelten Erzählung hatte sie ihn die ganze Zeit vor sich gesehen, wie er eine Line nach der anderen durch die Nase zog. Danach hatte sie ihn beruhigt, keine Sorge, es sei bestimmt alles in Ordnung. Doch es war gekommen, wie es kommen musste: Mitten in der Nacht hatte die Angst zugeschlagen. Was, wenn es doch kein Telefonstreich war?
Deshalb war es jetzt ihr gutes Recht, auf der Couch zu sitzen und sich die Nägel zu lackieren. Ja, eigentlich hatte sie gar keine andere Wahl; irgendwie musste sie die Panik in Schach halten. Als das Telefon klingelte, machte sie in aller Ruhe den angefangenen Nagel zu Ende, steckte den Pinsel ins Fläschchen und tastete erst dann nach dem schnurlosen Telefon.
»Ms. Lacie?«
»Ja?« Jenn fächerte sich den Fuß mit einer Zeitschrift. Sicher wollte ihr der Typ nur irgendwas andrehen.
»Sind Sie mit Mitch McDonnell befreundet?«
Sein Tonfall ließ sie aufhorchen. Sie setzte sich auf. »Ja. Was ist mit …«
»Mitch hatte einen Unfall.«
»Was?«
»Bitte entschuldigen Sie, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich heiße Paul, Mitch und ich sind Kollegen im Continental. Er hatte einen Unfall, und er würde Sie gerne sehen.«
»Was für einen Unfall?«
»Leider weiß ich nichts Genaueres. Mein Vorgesetzter hat mir nur Ihre Nummer gegeben und mich gebeten, Sie zu informieren.«
»Ist er … gestürzt, oder was?«
»Wie gesagt, ich weiß es leider nicht. Aber er meinte, es wäre gut, wenn Sie sofort vorbeikommen könnten.«
»In Ordnung.« Im Aufstehen blickte sie zur Uhr auf dem Kabelreceiver: kurz nach eins. Und sie musste den Samstagsverkehr mit einberechnen. »Ich mach mich sofort auf den Weg. Gegen halb zwei bin ich da.«
»Vielen Dank. Ich sage Mitch Bescheid. Ach ja, er wartet im Tagungsraum Atlantic im ersten
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