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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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vorbei ist, muss ich dich leider erschießen.«
    »Was?«
    »Ein Scherz, Johnny. Ein Scherz.«
    Als Mitch das Hotelsakko über den Arm legte und in den Bus stieg, hatte er ein seltsames Déjà-vu. Das heißt, eigentlich war es kein richtiges Déjà-vu; dafür war das Gefühl viel zu greifbar. Bei einem Déjà-vu glaubte man aus unerklärlichen Gründen, etwas schon einmal getan zu haben, schon einmal an derselben Stelle, unter demselben Sonnenstrahl gestanden zu haben. Aber das war es nicht.
    Was er gerade erlebte, ähnelte eher einem Videospiel. Ja, das war der richtige Vergleich: Er befand sich in einem Level mit dem Titel »Die Fahrt zum Rossi’s«, einem Level, den er schon öfter durchgespielt hatte. Tatsächlich hatte die Situation etwas von einer ausgefeilten Simulation: Wie der Bus dröhnte und ratterte, wie sich die Leute aneinanderdrängten, die Blicke senkten und sich hinter leeren Augen und Kopfhörern versteckten, wie sich ihre Körpergerüche mischten. Vor einer Woche hatte er denselben Bus aus der Innenstadt nach Norden genommen, nur war es damals ziemlich schlecht gelaufen: Man hatte ihn übergangen und verarscht, seine Freunde hatten ihn hängen lassen. Schließlich war er besoffen ins Bett gekrochen und hatte von einer Frau geträumt, die ihn bis in alle Ewigkeit   ignorieren würde.
    Doch an irgendeinem Punkt zwischen damals und jetzt hatte er das Spiel neu gestartet. Er hatte den Level neu geladen, von vorne angefangen. Mit einer neuen Strategie.
    Und es war wirklich nicht zu fassen: Derselbe Schwarze in derselben aufgeplusterten Looney-Tunes-Jacke saß wieder mit einem Fuß auf dem Nachbarsitz da, während die Leute um ihn herum kaum Platz zum Stehen hatten. Derselbe Typ, dieselbe arrogant-herausfordernde Haltung.
    Mitch lächelte in sich hinein, bevor er sich durch die Menge zwängte und sich vor dem Typen aufbaute. Und sagte: »Entschuldigung.« Genau wie letztes Mal, und genau wie letztes Mal blickte der Kerl wortlos auf, um dann wieder seelenruhig aus dem Fenster zu schauen. Der Weiße hatte doch eh die Hosen voll.
    Nein. Nicht mehr. Er beugte sich wortlos vor, packte den Schuh des Typen und schob ihn von der Sitzfläche.
    Der Schwarze fuhr hoch, seine Augen verengten sich. Mitch erwiderte sein Starren. Er lächelte nicht, er entschuldigte sich nicht. Er blickte ihm einfach ins Gesicht, ohne zu zwinkern, ohne seinen Augen auszuweichen. Okay, sein Herz schlug etwas schneller als sonst, aber was sollte ihm der Kerl schon tun, hier in dem überfüllten Bus?
    Nach einigen Sekunden schnitt der Typ eine Grimasse, murmelte ein leises »Was soll’s« und wandte sich zum Fenster. Und Mitch setzte sich.
    Die restliche Fahrt über spielte er diesen Moment wieder und wieder durch. Er konnte nicht fassen, wie einfach es gewesen war – wie einfach   alles   war: Man musste nur wissen, was man wollte, und sich dann benehmen, als würde es einem sowieso schon gehören. Scheiße, darauf hätte er schon vor Jahren kommen sollen! Zugegeben, er hätte die Situation noch   lässiger regeln können – nachdem er den Typen in die Schranken verwiesen hatte, hätte er sich umdrehen und jemand anderem, am besten einer Frau, den freien Platz anbieten sollen.   Jack Reacher, stets zu Diensten , so was in der Art. Aber man konnte ja nicht von jetzt auf gleich zum vollendeten Weltmann mutieren.
    Das Rossi’s war unverändert. Für einen Moment packte ihn die Erinnerung an das letzte Mal, als er hier gewesen war, an die Zeit mit Ian im Auto, der mit einer manischen Intensität zu einer genauso manischen Musik auf dem Lenkrad herumgetrommelt hatte, während sich der Himmel über ihren Köpfen zu einer tristen Dämmerung verdunkelt hatte. Doch er schob den Gedanken beiseite und ersetzte ihn durch das Bild von Jenn als Bond Girl, und wie sie ihn vor dem Überfall ganz unerwartet umarmt hatte. Später hatte er das Kleid von ihrem herrlich schlanken Körper gestreift … Das war die Welt, in der er jetzt lebte.
    Ach ja? Und warum taucht Alex dann mitten in der Nacht bei deiner Geliebten auf?
    Ruhe!
    Wie jeden Donnerstag war im Rossi’s einiges los. Die üblichen Verdächtigen, junge Karrieretypen und Artverwandte, hielten sich an ihren Martinis, Biergläsern oder Flaschen fest, lockerten sich die Krawatte, lachten viel zu laut über ihre eigenen Witze und betatschten ihre weiblichen Gegenstücke. Er drängelte sich durch die Meute zum Ende der Bar; zu seiner Überraschung waren die anderen alle schon da. Ian hing,

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