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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Priscilla »Cill« Trevelyan in der Nacht vom 30./31. Mai 1970
    Dieses Protokoll beruht auf den Aufzeichnungen eines Gesprächs mit Priscilla Fletcher. Mit ihrer nachfolgenden Unterschrift bestätigt sie, dass es eine korrekte und vollständige Wiedergabe ihrer Aussage ist.
    »Das erste Mal wurde ich von meinem Vater sexuell missbraucht, als ich elf Jahre alt war. Ich glaube, dass meine Mutter wusste, was geschah, auch wenn zwischen uns über dieses Thema nie gesprochen wurde. Als 645

    Cill und ich Freundinnen wurden, versuchte ich, sie von meiner Familie fern zu halten, weil ich wusste, dass sie meinem Vater gefiel. Sie war unglücklich zu Hause und hielt sich lieber bei anderen Leuten auf. Wenn wir die Schule schwänzten, gingen wir gewöhnlich zu Grace Jefferies nach Hause, wo wir mit Howard Stamp zu-sammentrafen.
    Ich wurde eifersüchtig auf Cill, weil sie allgemein beliebt war und ich nicht. Ich hatte kaum Schul-freundinnen, weil die Mädchen alle das Benehmen meines Vaters ihnen gegenüber nicht mochten. Howard mochte mich nicht, weil ich ihn früher immer gehänselt hatte. Unsere Lehrer behaupteten, ich hätte einen schlechten Einfluss auf Cill, und Cills Eltern schwärzten mich bei meinen Eltern an und sagten, Cill hätte nur meinetwegen Probleme. Die Schlägerei, zu der es am Freitag, den 29. Mai, in der Schule zwischen uns kam, habe ich mit meiner Eifersucht provoziert.
    Nachdem Mrs. Trevelyan am Samstagvormittag
    (30. Mai) bei uns angerufen und gesagt hatte, dass Cill in der Nacht nicht zu Hause gewesen sei, ging ich zu Grace Jefferies hinüber. Cill war in der Küche und aß Eis. Ich fand den Anblick komisch, weil ich daran denken musste, dass meine Mutter gesagt hatte, Jean Trevelyan habe sich angehört, als wäre sie außer sich 646

    vor Sorge. Das war der Moment, als ich beschloss, weder meinen Eltern noch der Polizei etwas zu sagen.
    Mein Entschluss wurde noch fester, als ich sah, wie aufgebracht meine Mutter auf die Unterstellung der Polizei reagierte, wir könnten etwas über Cills Verbleib wissen.
    Wenn ich mit der Wahrheit herausgerückt wäre, hätte ich eine dicke Strafe bekommen.
    Ich berichtete der Polizei von der Vergewaltigung, um Cill bei ihrem Vater noch tiefer in Schwierigkeiten zu bringen. Er hatte immer gesagt, wenn er dahinterkom-men sollte, dass sie etwas mit einem Jungen gehabt hatte, wäre sie für ihn gestorben. Ich war immer noch wütend wegen der Schlägerei am Tag zuvor, als sie auf mich eingehauen und mich an den Haaren gezogen hatte. Ich wollte ihr aus Rache das Leben noch ein bisschen schwerer machen.
    Meinem Vater hatte ich nicht erzählt, dass Cill vergewaltigt worden war, weil ich nicht wollte, dass sie ihm auch noch Leid täte. Stattdessen erzählte ich, sie hätte mit drei Jungen Geschlechtsverkehr gehabt. Er regte sich fürchterlich auf und fing an, sie ein ›Flittchen‹ zu nennen. Als er zu Mr. Trevelyan sagte, sie habe ›es nicht anders verdient‹, meinte er damit eine mögliche Schwangerschaft, weil ich ihm erzählt hatte, bei Cill sei die Periode ausgeblieben. Das stimmte nicht, aber 647

    meinen Vater hat es gefreut. Er fand, die Trevelyans wären Snobs. Nach Cills Verschwinden trug er mir auf, die Geschichte der Polizei zu erzählen, damit David Trevelyan endlich einmal erführe, was für eine Tochter er großgezogen hatte.
    Nicht lange nachdem meine Mutter und ich an dem besagten Samstag, dem 30. Mai, von der Polizei nach Hause gekommen waren, schickte meine Mutter mich in mein Zimmer, weil sie meinem Vater erzählen wollte, was ich bei der Polizei ausgesagt hatte. Ich gehorchte nicht. Stattdessen ging ich zur öffentlichen Telefonzelle in der Bladen Street und rief Roy Trent an. Ich hatte mich mit Roy Trent, Micky Hopkinson und Colley Hurst angefreundet, nachdem Howard sich bei Cill und Grace ständig darüber beklagt hatte, wie sie ihn terrorisierten. Selbst damals begriff ich, dass ich mit solchen harten Jungs mehr gemein hatte als mit Losern wie Howard Stamp und Grace Jefferies. Heute ist mir klar, dass ich einfach jemanden suchte, der sich genauso unglücklich und wertlos fühlte wie ich.
    Es ist richtig, dass ich eine Weile davor Trent, Hopkinson und Hurst angewiesen habe, Cill Trevelyan einen Schrecken einzujagen. Es ist auch richtig, dass ich das Treffen eingefädelt habe und mich ärgerte, als Cill darauf bestand, meinen Bruder mitzunehmen. Niemals 648

    habe ich etwas von Vergewaltigung gesagt. Ich sagte, sie sollten so tun, als gefiele sie ihnen,

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