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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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und sie dann hinterher mit Verachtung behandeln. Die Vergewaltigung hinterließ bei mir gemischte Gefühle. Einerseits freute es mich, dass Cill Gewalt angetan worden war, andererseits aber quälte mich der Gedanke, Trent, Hopkinson und Hurst hätten es nur getan, weil sie ihnen tatsächlich gefiel.
    Das machte mich wütend. Ich nannte zwar ihre
    Namen nicht, aber ich beschrieb sie so gut, dass sie identifiziert werden konnten. Sie waren bei der Polizei damals bereits als hartnäckige Schulschwänzer und Kleinkriminelle bekannt und wurden regelmäßig betrunken und randalierend im Colliton Park und auf dem Brachland hinter dem Colliton Way (jetzt das Colliton-Industriegelände) aufgegriffen und nach Hause gebracht. Ich hoffte, Trent, Hopkinson und Hurst würden Angst bekommen, wenn sie von der Polizei befragt würden. Und ich hoffte, Cill würde es genauso ergehen, wenn sie nach Hause käme.
    Ich habe Roy Trent am Samstag, dem 30. Mai 1970, gegen 12 Uhr 30 im Haus seiner Mutter angerufen und ihm erzählt, was ich bei der Polizei ausgesagt hatte. Ich wollte ihn wissen lassen, wie aufgebracht ich über die Vergewaltigung war. Er sagte, das sei schön dumm von 649

    mir gewesen, sie zu verpfeifen. Micky Hopkinson trage ein Messer und würde mich bei nächster Gelegenheit abstechen. Ich sagte, sie sollten einfach leugnen, dass sie es gewesen seien. Ich hätte ihre Namen nicht genannt und würde sie nicht identifizieren. Außerdem hätte ich bei der Polizei verschwiegen, dass mein Bruder William dabei gewesen sei. Roy sagte, das hätte alles keinen Sinn, weil Cill sie sowieso identifizieren würde.
    Er fragte mich, ob ich wüsste, wo Cill sich aufhalte, und ich sagte, dass sie bei Grace Jefferies im Haus sei.
    Darauf sagte er, ich solle zu Grace gehen und Cill überreden, zum Haus von Howard Stamp am Colliton Way zu kommen. Ich erklärte, dass sie das niemals tun würde, da sie ja wüsste, dass auch sie – Trent, Hurst und Hopkinson – am Colliton Way wohnten. Er ließ sich davon überzeugen. Er meinte, dann solle ich sie eben überreden, nach Hause zu gehen und Grace’ Haus auf dem Weg durch die kleine Hintergasse zu verlassen. Er bat mich zu warten, bis es gegen halb neun Uhr dunkel würde.
    Ich lehnte ab. Ich sagte, meinetwegen könne Cill auf ewig von zu Hause wegbleiben, und außerdem sollten ihre Eltern ruhig leiden. Mir ging das Geld aus, bevor das Gespräch beendet war. Ich begriff nicht, was Roy Trent vorhatte. Ich glaubte, er wolle Cill mit Drohungen 650

    zwingen, den Mund zu halten. Wenn weder sie noch ich Trent, Hurst und Hopkinson als die Vergewaltiger identifizierten, würde die Polizei der Sache nicht weiter nachgehen.
    Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nicht die Absicht zu tun, was Roy Trent verlangt hatte, doch meine Mutter hatte meinem Vater erzählt, dass ich der Polizei den Vorfall als ›Rudelvergewaltigung‹ geschildert hatte. Mein Vater wurde daraufhin sehr wütend, vor allem wegen der Bemerkung, die er in der Nacht vorher zu David Trevelyan gemacht hatte. Er schickte meine Mutter und meinen Bruder zum Einkaufen, dann bekam ich meine Strafe: Er vergewaltigte mich – anal – vor dem laufenden Fernseher. Ich konnte die ganze Zeit nur denken, dass das viel schlimmer war als alles, was Cill widerfahren war. Ich hatte tagelang Blutungen, aber ich hatte keinen Menschen, mit dem ich reden konnte.
    Am Mittwoch bekam ich den ersten Ohnmachtsanfall.
    Meine Mutter befahl meinem Vater, den Arzt zu holen, und obwohl ich dem Arzt nicht sagte, was mir wirklich fehlte, hatte mein Vater sichtlich Angst.
    Nach diesem Zwischenfall am Samstagnachmittag ging es mir sehr schlecht. Heute ist mir klar, dass ich zutiefst verwirrt und verängstigt war. Ich glaubte, man würde mir an allem die Schuld geben – an der Vergewaltigung, 651

    der Schlägerei, Cills Verschwinden – und mir die schlimmsten Vorwürfe machen, dass ich bei der Polizei verschwiegen hatte, dass ich Cill in Grace’ Haus gesehen hatte. Außerdem hatte ich Angst, dass Trent, Hurst und Hopkinson sich an mir rächen würden, wenn Cill sie identifizierte. Heute kann ich erkennen, dass ich meinen Hass gegen meinen Vater hätte richten sollen und nicht gegen Cill, aber damals war ich zu sehr durcheinander, um das zu sehen.
    Am Samstag, den 30. Mai, sagte ich um 20 Uhr 15 zu meinen Eltern, ich würde zu Bett gehen. Sie saßen mit meinem Bruder vor dem Fernseher und achteten gar nicht auf mich. Ich schloss die Wohnzimmertür und schlich mich leise auf die

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