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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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abgekriegt hat. Jetzt regen wir uns erst mal ab, okay?«
    Sasha blieb fast das Herz stehen. Colley Hurst?
    Sie warf einen hastigen Seitenblick auf den Neu-ankömmling. Er hatte dunkles, graumeliertes Haar. »Hauen Sie ab!« , schnarrte die Stimme ihres Chefs in ihrem Ohr. Sie griff wieder nach ihrer Aktentasche.
    Mit mörderischer Wut im Blick wandte sich Louise dem Mann an der Tür zu. »Das hier ist mein Haus, Roy. Hier habe ich das Sagen.«
    »Bloß machst du dich im Moment total lächerlich«, versetzte er schroff, bevor er mit einer scharfen Kopfbewegung zu Sasha hinzufügte: »Packen 637

    Sie Ihre Sachen zusammen, junge Frau, dann bring ich Sie raus.«
    Einen Herzschlag lang schien es, als wollte Louise seine Autorität anerkennen. Ein Ausdruck der Resignation flog über ihr Gesicht. Sie beugte sich vor und ließ die Zigarette im Aschenbecher zurück, bevor sie aufstand. Aber dann geschah etwas. Vielleicht trieb Roy Trent es zu weit.
    Vielleicht zog Sasha mit ihrem versuchten Aufbruch Aufmerksamkeit auf sich. Vielleicht hörte Louise die dünne blecherne Stimme im Brillenbügel. Was auch immer, das Resultat war eine rasende Wut, die alles übertraf, was Sasha je erlebt oder sich vorgestellt hatte.
    Es ging alles so schnell, dass Sasha nur vor Entsetzen gelähmt zusehen konnte, wie Louise sich in einem Ausbruch ungeheurer Kraft auf Roy Trent stürzte, mit dem Aschenbecher auf seinen Kopf einschlug, prügelte und trat, bis sie ihn zu Boden gezwungen hatte. »Immer geht’s nur um dich … du musst geschützt werden … deine Scheißgeheimnisse müssen gehütet werden …«
    Sasha gab sich noch der verrückten Hoffnung hin, das Ganze wäre eine Inszenierung um ihret-willen, als Louise den schweren Glasaschenbecher krachend auf Roy Trents Schläfe hinuntersau-sen ließ. In panischem Schrecken sprang sie vorwärts, so heftig, dass der Couchtisch umstürzte.
    638

    »Mrs. Fletcher! Mrs. Fletcher! Um Gottes willen, hören Sie auf! Sie bringen ihn ja um!«
    Entweder hörte die Frau sie nicht oder fand sie zu unbedeutend, um auf sie zu achten. Wie auch immer, es war keine Zeit, um sich über das Richtige oder Falsche eines Eingreifens Gedanken zu machen. Sasha wollte diesem schrecklichen Gemetzel nur ein Ende bereiten und stürzte sich ins Getümmel, um Louises Handgelenke zu fassen zu bekommen. Es war, als würde sie von einem Tornado erfasst, von einem wild rasenden Wirbelwind, als Louise sie angriff und zu Boden schleuderte. Sie schlug mit der Schulter an ein Bein des umgekippten Couchtischs und dann mit dem Rücken so hart gegen seine Unterkante, dass ihr die Luft wegblieb.
    Wenn ihr auch nur ein einziger taktischer Gedanke kam, so konnte sie sich später nicht daran erinnern.

Sie biss nur die Zähne zusammen und umkrallte verzweifelt Louises Hände, um zu verhindern, dass die mit dem Aschenbecher nach ihr schlug. Platt auf dem Rücken und unfähig, einen Vorteil heraus-zuschlagen, weil sie zwischen den Tischbeinen gefangen war, kämpfte sie schwitzend und verbissen darum, sich Louise vom Leib zu halten.
    Sie erinnerte sich später, dass sie daran dachte, wie sauer ihr Chef sein würde, weil die Audiobrille zerbrochen irgendwo unter ihr lag. Sie erinnerte sich, dass sie dachte, sie müsse endlich abnehmen, 639

    als sie spürte, wie der Rücken ihrer Jacke riss. Sie erinnerte sich, dass sie daran dachte, wie ihre Mutter ihr immer gepredigt hatte, dass ein gut erzogenes kleines Mädchen sich nicht prügelt. Vor allem aber erinnerte sie sich, gedacht zu haben, dass sie auf der Stelle kündigen würde, wenn sie aus diesem Schlamassel heil herauskäme. Die Angst wurde stärker, als Louises Knie sie ins Zwerchfell traf und ihr von neuem den Atem raubte. Warum hatte sie nicht auf George und Jonathan gehört?
    Wie lange es dauerte, ehe sie beschloss, die Frau zu bluffen, hätte sie nicht sagen können. Stunden?
    Sekunden? »Sie – hören Sie auf, das ist doch gar nicht nötig«, stieß sie heiser vor Atemlosigkeit hervor. »Wir wissen – was passiert ist.«
    Louise löste die linke Hand vom Aschenbecher.
    »Keiner weiß das, außer Roy und mir«, rief sie wütend, riss ihre Hände auseinander und rammte Sashas Arme gegen die scharfen Kanten der Tischbeine, um sie zum Loslassen zu zwingen.
    »Micky ist tot und Nick kann sich an nichts mehr erinnern.«
    »Dann sagen Sie es uns«, bat sie mühsam.
    Louise drückte ihre Hände wieder zusammen, um das Manöver zu wiederholen. »Nick bringt mich um.«
    Sasha mobilisierte

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