Der Autor und sein Werk
einer Art Bad mit dem Volke, aufbrach, erlebte der Volksschriftsteller Heinz G. Konsalik einen Höhepunkt seiner bisherigen Karriere: Seine sieben deutschen Verleger baten ihm zu Ehren zu einem Empfang ins Wiener Palais Auersperg, das auch als ›Palais des Rosenkavaliers‹ berühmt ist.
200 Gäste, österreichische Buchhändler mit Anhang vor allem, tafelten in Abendkleid und dunklem Anzug bei Borschtsch und Delikatessen vom russischen Buffet zu Balalaika-Musik. Konsaliks alter Kollege Gustl Kernmayr vom Unterhaltungs-Genre (»Weil du arm bist, mußt du früher sterben«) hielt die Laudatio. »Lieber Heinz«, rief er, »wenn dir jemand sagt, du wärst ein Trivial-Schriftsteller, wirf dich in die Brust und sage: ›Gott sei Dank!‹«
Der Spiegel, 6.12.76 (Nr. 50)
HADEMAR BANKHOFER
Ein Prophet an der Schreibmaschine?
Es gibt sie überall auf der Welt: jene sehr oft ehrfurchtsvoll bewunderten Menschen, die die Fähigkeit zur außersinnlichen Wahrnehmung besitzen. Es sind Frauen und Männer, die Gegenstände und Sachverhalte in der Zukunft ›paranormal‹ erkennen können. Der amerikanische Parapsychologe Professor Rhine und viele seiner Kollegen erklärten sich bereits vor Jahren überzeugt, daß Hellsehen möglich sei. Seit Urzeiten schon wird von Hellsehern berichtet. Jede Religion hatte ihre Propheten. Viele dieser außerordentlich begabten Menschen waren hochgeachtet, besonders dann, wenn sich ihre Voraussagen exakt bewahrheiteten.
Heinz G. Konsalik ist ein Hellseher, ein ›Prophet‹ auf andere, weniger esoterische und exklusive Weise. Wie einst Jules Verne nimmt er ahnungsvoll vorweg, was die wissenschaftliche und zivilisatorische Entwicklung der Zukunft an möglichen Überraschungen bereithält. Freilich: Konsalik ist nicht bewußt auf die große Prophetie aus. Er konstruiert und spekuliert nicht. Er setzt sich nicht eigens an die Schreibmaschine, um für seine Leser bizarre Science-fiction-Gemälde zu erstellen. Es überkommt ihn vielmehr, geradezu magisch-intuitiv, wenn er Seite um Seite heruntertippt. Heinz G. Konsalik ist ohnedies einer jener Autoren, die wie in Trance die Handlungen ihrer Romane lebhaft aus sich heraus imaginieren: Oft ist es so, daß er von dem fiktiven Geschehen in seinem Innern übermannt wird und sich selbst über den Verlauf seines Romans wundert. So entstehen auch seine ›Prophetien‹, die nicht nur den Normalleser, sondern selbst den Experten immer wieder aufs neue verblüffen.
Kein Mensch hätte noch vor zwei Jahrzehnten ernsthaft daran zu denken gewagt, daß Ärzte die Herzen von Kranken austauschen könnten, als Konsalik eben dies zum Gegenstand seines Romans ›Alle Mütter heißen Anita‹ machte. Er schilderte damals minuziös bis ins Detail den Vorgang einer Herzverpflanzung. Fast genau so verlief dann die erste Transplantation durch Dr. Barnard.
Zufall? Parapsychisches Phänomen? Dichterphantasie? Nichts davon. Konsalik, der einmal Medizin studierte und Arzt werden wollte, hat nach eigener Aussage sechzehn Fachzeitschriften abonniert, die ihn umfassend über den neuesten Stand medizinischer Forschung unterrichten. Er eignet sich die gesicherten Erkenntnisse der Wissenschaft an und denkt von da aus hypothetisch, schöpferisch weiter. Zunächst mag mancher Leser seinerzeit die ›blühende Phantasie‹ seines Autors belächelt haben. Als aber die Schlagzeilen von der ersten gelungenen Herzverpflanzung um die Welt gingen, da griffen Tausende noch einmal zu ›Alle Mütter heißen Anita‹, die es einfach nicht fassen konnten, wie sehr Konsalik seiner Zeit voraus gewesen war. Es dauerte dann nicht lange, da reizte es Konsalik wiederum, der Medizin in die Zukunft zu schauen. Diesmal ging es um das menschliche Gehirn. Nur zaghaft wagten Ärzte in aller Welt die Prognose, daß es bald einmal gelingen würde, entscheidende Eingriffe im Zerebrum vorzunehmen, Konsalik befaßte sich intensiv mit diesen Theorien. In seinem Roman ›Das Schloß der blauen Vögel‹ beschrieb er genau eine äußerst riskante Gehirnoperation und weitere kühne Versuche dieser Art. Wenige Jahre nach Erscheinen des Buches führte ein amerikanischer Chirurg den entsprechenden Eingriff genau so aus, als ob er Konsaliks Roman dazu als Vorlage verwendet hätte.
Dergleichen wiederholte sich immer wieder im Ablauf von Konsaliks Schaffen: Er schilderte in allen Einzelheiten die erstaunlichsten Gesichtsoperationen und Hauttransplantationen in dem Roman ›Das geschenkte Gesicht‹, damals, als die
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