Der Autor und sein Werk
Schillers ›Wilhelm Teil‹ beeindruckt, der neueren Geschichte zu: ›Der Geuse‹, eine Tragödie aus der Zeit der Erhebung der Niederlande, wurde Zeugnis ernsthafteren Strebens nach Dramatiker-Lorbeer. Der Krieg, der nacheinander die Theater zerbombte, verhinderte die Aufführung dieser wie auch anderer Frühwerke. Sie verschwanden in Konsaliks Privatarchiv … aus dem Theatermann wurde in den Nachkriegsjahren der Romanschriftsteller, der internationale Bestsellerautor.
›Der Geuse‹, wie auch die übrigen etwa gleichzeitigen Stücke – darunter ein Renaissance-Schauspiel um Brunelleschi, den Erbauer der Florentiner Domkuppel – zeigen einen völlig anderen Konsalik, als wir ihn aus seinen Romanen kennen. Gewiß ist dem nicht zu widersprechen, was er selbst dazu meint: Diese Jugenddramen sind überholt, im Thema, in der Aussage, im Stil. Sie waren ›Kinder ihrer Zeit‹, und Konsalik war in diese Zeit hineingeboren und in ihr aufgewachsen. Immerhin gewähren sie interessante Aufschlüsse und runden das Bild eines Mannes ab, der bewußt den Weg statt in die ›hohe Dichtung‹ in die populäre, breitenwirksame Produktivität des › Volksschriftstellers‹ wählte. Vielleicht ist es auch nicht ohne Reiz, zu spekulieren, was aus diesem auf so unverwechselbare Weise zu Weltruhm gelangten Autor geworden wäre, hätte er die Weichen damals anders gestellt.
Szenen aus ›Der Geuse‹
Die ›Geusen‹ haben beschlossen, sich gegen Spanien, das Flandern und die Niederlande besetzt hält und unterdrückt, zu erheben, und Jan Brahnis zu ihrem Anführer gewählt. Sie kommen nächtlicherweile in einer abgelegenen Küstengegend zusammen, um Jans große Rede an das Volk zu hören:
(Auf dem freien Platz zwischen den Hütten und dem Deich stehen die Fischer. Spaler steht mit dem 1. und 2. Fischer in Unterhaltung im Vordergrund)
1. Fischer
Was wollt Ihr?
2. Fischer
Warum ruft Ihr uns zusammen?
1. Fischer
Die Nachtluft kennen wir und auch den Wind,
der uns die Zunge salzig macht.
2. Fischer
Im warmen Bett
ruhn sich die Knochen lieber aus als in der
Kälte der Seenacht.
1. Fischer
Unser Brot ist sauer
vom Schweiß, den es uns kostet.
Spaler
Männer, könnt
ihr noch an Ruhe denken, wenn die Heimat ruft?
1. Fischer
(dumpf) Heimat? Das Wort ist uns verboten.
2. Fischer
Spaniens Söldnern
geht die Muskete leicht nach vorne los. Die Bäume
sind nicht mehr hoch genug, um all die Körper,
die an die Heimat dachten, noch zu tragen.
Spaler
Um das Leben,
um Frieden …
1. Fischer
(bitter) Frieden! Ein banales Wort in Flandern:
Ja, vor Jahrzehnten, als die Kirchenglocken
uns jeden Sonntag in die Seele riefen:
»Seht, Brüder, wie die Sonne euch beglückt
mit Gold und Leben, seht die reiche Frucht,
die sich voll kräft'ger Schwere zu der Erde neigt,
weil ihre eigenen Halme sie nicht tragen können. Seht,
welches Jauchzen in den Lüften jubiliert; ein Volk
ist von dem Glück gesegnet, von der Menschheit höchstem
dem Frieden eines Herzens in der schönen Heimat!« –
Jetzt ist das Stöhnen unsere Musik, das Peitschenknallen
der welschen Offiziere unser Glockenklang. Anstatt
in Andacht seinen Kirchenstuhl drückt jetzt der Gläubige
die Folterbank. Der Glaube uns'rer Ahnen wird zertreten,
die päpstliche Tiara soll der Glaube sein, doch nie,
nie beugt ein Flame vor dem Königsthron sein Haupt,
wenn dieser Thron in Spanien steht und nicht in Flandern.
2. Fischer
(erstaunt)
Und Ihr wollt uns die Freiheit schenken. Ihr? Ein Mann,
allein, bekannt wohl, aber nicht berühmt?
Spaler
Was ist
der Name von Gewicht, wenn die Idee den Staat
baut? Unbekannt ist öfters besser als zu gut gekannt!
2. Fischer
Was warten wir?
1. Fischer
(zieht die Schulter ein) Mir wird es kühl im Rock.
Spaler
In einer Stunde hat das Herz ihn warm geschlagen.
(blickt zum Deich)
Da, seht –! Da ist er! Jan!
1. Fischer
(spöttelnd) Noch jung! Ein Knabe!
(Plötzlich ist Jan oben auf dem Deich erschienen und
steht hochaufgerichtet im Mondlicht. Das Volk
drängt sich enger zusammen und an den Deich heran.
Langsam hebt Jan die Hand, Ruhe tritt ein)
Jan
(klar und hell)
Freunde, Flandernsöhne, meine Brüder! – An
der Asche unsrer Heimat weint ein ganzes Volk. Die
Freiheit, mit deren Blütenkranz sich uns're Ahnen schmückten,
liegt nun gefesselt, vergewaltigt in der Höhle fremder Macht.
(kommt in Glut)
Geknebelt ist sie, nicht gestorben, denn das Blut
rollt frei in unsren Adern oder tränkte Flanderns Boden.
Ich will zu euch nicht vom Vergangnen sprechen,
der Blutdunst
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