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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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mein Sklave gewesen war. Selbst damals schon wäre er meinetwegen ums Haar hingerichtet worden, weil ich ihn in meinen Racheplan gegen den Herrn Freude hineingezogen hatte. Später war er seines Mannestums verlustig gegangen, als er versuchte, mich vor Chimáli zu schützen. Dadurch, daß ich Kitzlig gebeten hatte, Mutterstelle an Cocóton zu vertreten, hatte ich in ihr das heftige Begehren geweckt, selbst Mutter zu werden. Dem Umstand, an ihrem Ehebruch unmittelbar beteiligt zu sein, war ich nur durch äußere Umstände knapp entgangen, nicht aber wegen meiner Redlichkeit oder meiner Treue Cozcatl gegenüber. Und selbst damit hatte ich ihm keinen guten Dienst erwiesen. Hätte ich ihr beigewohnt und sie geschwängert, Cozcatl hätte noch länger leben können und wäre womöglich sogar glücklich gewesen, ehe er ganz von den Göttern gefressen wurde …
    Wenn ich darüber nachsinne, frage ich mich manchmal, warum Cozcatl mich überhaupt jemals seinen Freund genannt hat.
    Cozcatls Witwe führte die Schule, das Lehrerkollegium und die Schüler noch ein paar Monde allein weiter. Dann kam ihre Zeit, und sie wurde ihres verfluchten Bankerts entbunden. Denn verflucht war er: Das Kind kam tot zur Welt, und ich erinnere mich nicht, auch nur gehört zu haben, welchen Geschlechts es war. Als Kitzlig wieder aufstehen konnte, verließ sie – genauso wie zuvor Cozcatl es getan – Tenochtítlan und kehrte nie wieder zurück. In der Schule ging alles drunter und drüber, und die Lehrer, welche nicht mehr bezahlt wurden, drohten, sie gleichfalls zu verlassen. Erbost von der Aussicht, seine Dienstboten nur halb ausgebildet wieder zurückzubekommen, befahl Motecuzóma, daß das zurückgelassene Vermögen eingezogen werde. Die Leitung übertrug er Priester-Lehrern, die er von einer Calmécac abzog, und so gab es die Schule, solange es die Stadt gab.

    Etwa um diese Zeit feierte meine Tochter Cocóton ihren siebenten Geburtstag, wonach wir alle selbstverständlich aufhörten, sie Krümelchen zu nennen. Nach vielen Überlegungen, In Erwägung ziehen und wieder Verwerfen, beschloß ich, ihrem Geburtsnamen – Ein Gras – den Erwachsenennamen Zyanya-Nochipa anzufügen, was Immer Immer bedeutet, zuerst im Lóochi ihrer Mutter, und dann noch einmal auf Náhuatl. Abgesehen davon, daß er an ihre Mutter erinnerte, fand ich, daß der Name eine sehr sinnvolle Verwendung der Wörter darstelle. Zyanya-Nochipa ließ sich, wenn man wollte, als »Immer und Ewig« übersetzen, stellte also durchaus eine Steigerung des ohnehin schon bezaubernden Namens ihrer Mutter dar. Man konnte darin aber auch die Bedeutung von »immer Immer« sehen in dem Sinne, daß die Mutter in der Person ihrer Tochter weiterlebte.
    Mit Béus Hilfe richtete ich zur Feier des Tages ein Fest, an welchem unser kleiner Nachbar Chacalín und sämtliche Gespielen meiner Tochter samt ihren Eltern teilnahmen. Zuvor begleiteten Béu und ich das Geburtstagskind zur Eintragung ihres neuen Namens in die Liste jener Bürger, die den Namensgebungstag gefeiert hatten. Freilich begaben wir uns nicht zu dem Mann, welcher den Auftrag hatte, für die Vollständigkeit der Liste der gewöhnlichen Bevölkerung zu sorgen. Da Zyanya-Nochipa die Tochter eines Adlerritters war, begaben wir uns zum Palast-Tonalpóqui, welcher die Liste der erlauchteren Bürger führte.
    Der alte Archivar brummelte: »Es ist mir eine Pflicht und eine Ehre, mein Tonálmatl-Buch und mein Talent als Deuter einzusetzen, um den Namen des Kindes auszusuchen. Es steht schlimm um uns, wenn Eltern einfach herkommen können und mir sagen, wie der neue Bürger heißen soll. Das ist an sich schon ungehörig, Ritter Mixtli, doch nun wollt Ihr dem armen Ding auch noch einen Namen geben, der aus zwei völlig bedeutungsgleichen, wenn auch aus zwei verschiedenen Sprachen stammenden Wörtern besteht, und überdies bezeichnen diese Wörter auch noch nicht einmal ein Ding. Könntet Ihr sie denn nicht zumindest Immer Juwelenbedeckt oder etwas ähnlich Verständliches nennen?«
    »Nein«, erklärte ich mit Entschiedenheit. »Sie soll Immer Immer heißen.«
    Völlig außer sich sagte er: »Warum nicht gleich Nie Nie?
    Wie soll ich auf ihre Seite im Namensregister ein Namenssymbol aus abstrakten Begriffen malen? Wie soll ich ein Bild von bedeutungslosen Lauten malen?«
    »Sie sind keineswegs bedeutungslos«, erklärte ich gefühlvoll. »Allerdings habe ich einen solchen Einwand vorhergesehen, Herr Tonalpóqui. Deshalb habe ich mir erlaubt, die

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