Der Azteke
kam es zu einer erschreckenden Reihe von Zeichen mit schlimmer Vorbedeutung: jenen merkwürdigen Geschehnissen, welche, wie heute jedermann fest überzeugt ist, den Sturz der Mexíca ankündigten, den jähen Niedergang aller Kulturen, welche in diesen Landen blühten, den Tod all unserer Götter, das Ende Der Einen Welt.
Eines Tages gegen Ende des Jahres Eins Kaninchen kam eine Page vom Palast außer Atem mit der Aufforderung zu mir, augenblicklich vor dem Uey-Tlatoáni zu erscheinen. Ich erwähne das Jahr, da dieses selbst, wie ich später noch erklären werde, Schlimmes verhieß. Motecuzóma forderte mich zwar nicht auf, diesmal die vorgeschriebenen Gesten des Erdeküssens beiseite zu lassen, trommelte jedoch ungeduldig mit den Fingern auf sein Knie, als wünschte er, ich solle mich mit meinem Näherkommen beeilen.
Freilich war der Verehrte Sprecher diesmal nicht von seinen Weisen Männern umgeben, und außerdem fielen mir zwei Dinge auf, die neu im Raum waren. Zu beiden Seiten seines Icpáli-Thronstuhles hingen in reich geschnitzten Rahmen an Ketten große Metallscheiben herunter. Die eine bestand aus Gold, die andere aus Silber; jede Scheibe wies dreimal den Durchmesser eines Kriegsschilds auf und beide waren über und über in erhabener und in gepunzter Arbeit mit Szenen aus Motecuzómas Triumphen sowie erklärenden Wortbildern bedeckt. Allein was das reine Gewicht des Metalls betrifft, waren die beiden Scheiben von unschätzbarem Wert; was ihren Wert jedoch noch unendlich erhöhte, waren der Kunstsinn und der Fleiß, welche auf ihre Herstellung verwendet worden waren. Erst viel später sollte ich erfahren, daß es sich dabei um mehr denn nur um Zierstücke handelte. Motecuzóma konnte den Arm ausstrecken und mit der Faust dagegenschlagen, woraufhin ein dumpfer Klang durch den gesamten Palast hallte. Da jeder einen leicht unterschiedlichen hohlhallenden Ton von sich gab, kam, wenn er gegen die Silberscheibe hieb, der Oberkämmerer zu ihm geeilt, während auf einen Schlag gegen die goldene Scheibe hin ein ganzer Trupp bewaffneter Wachen zu ihm stürzte.
Ohne jede förmliche Begrüßung und ohne seinen üblichen beißenden Spott, ja mit weit mehr weniger eisiger Ruhe als sonst sagte Motecuzóma: »Ritter Mixtli, du kennst die Mayavölker und -länder.«
Ich sagte: »Jawohl, Verehrter Sprecher.«
»Würdest du diese Menschen für leicht erregbar und unsicher halten?«
»Keineswegs, Hoher Gebieter. Im Gegenteil, die meisten von ihnen sind heutzutage genausowenig aus der Ruhe zu bringen und teilnahmslos wie Tapire oder Seekühe.«
Er sagte: »Das trifft auch auf viele Priester zu, was sie jedoch nicht daran hindert, Zeichen von böser Vorbedeutung zu schauen. Wie steht es in der Beziehung mit den Maya?«
»Ob sie Visionen haben? Nun, Hoher Gebieter, ich möchte meinen, die Götter vermögen auch noch dem stumpfsinnigsten aller Sterblichen eine Vision zu gewähren. Zumal dann, wenn er sich mit so etwas wie den Götterfleischpilzen in einen Rauschzustand versetzt hat. Aber die erbärmlichen Überreste der Maya nehmen kaum die wirkliche Welt um sie herum wahr, geschweige denn etwas Außergewöhnliches. Wenn der Hohe Gebieter mir vielleicht erklären würde, worum genau es geht … «
Er sagte: »Es ist ein Schnellbote von den Maya eingetroffen. Von welchem Volk oder welchem Stamm, weiß ich nicht. Er kam durch die Stadt gelaufen – und das alles andere als schwung- und teilnahmslos – und blieb nur lange genug, der Wache an meinem Palasttor schwer keuchend eine Botschaft zu übermitteln. Noch ehe man mir diese Botschaft überbringen konnte, war er bereits in Richtung Tlácopan weitergelaufen. Es scheint, daß die Maya Boten durch alle Lande eilen lassen, um von etwas Unerhörtem zu künden, das sie dort im Süden gesehen haben wollen. Es gibt dort eine Halbinsel, welche Uluümil Kutz heißt und weit in das Nord-Meer vorstößt. Du kennst sie? Nun gut, die Maya, welche an dieser Küste leben, sind in jüngster Zeit durch das Auftauchen von zwei Dingen überwältigt und in Schrecken versetzt worden, die sie nie zuvor gesehen haben.« Er ließ es sich nicht nehmen, mich durch eine Pause noch mehr in Spannung zu versetzen. »So etwas wie ein riesiges Haus, das auf dem Meer schwimmt. Etwas, was mit weit ausgebreiteten Flügeln dahingleitet.« Wider besseres Wissen mußte ich lächeln, woraufhin er die Stirn runzelte und sagte: »Willst du mir etwa erzählen, daß die Maya Wahnsinnsbilder sehen?«
»Nein, Hoher
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