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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Wortbilder selbst auszudenken. Denn wißt, ich bin zu meiner Zeit selber ein Schreiber gewesen.« Ich reichte ihm das Wortbild, welches ich selbst entworfen hatte: eine Hand, welche einen Pfeil umfaßte, auf dem ein Schmetterling saß.
    Laut las er die Worte für Hand, Pfeil und Schmetterling: »Noma, Chi-chiquíli, Papálotl. Oh, ich sehe, Ihr seid vertraut mit der Methode, etwas durch den Klang allein wiederzugeben. Ja, in der Tat, die ersten Laute der drei Wörter ergeben No-Chi-Pa. Immer.«
    Er sagte das voller Bewunderung, doch schien ihn das gleichwohl einige Überwindung zu kosten. Schließlich begriff ich, daß der alte Weise fürchtete, um seine volle Bezahlung gebracht zu werden, da ich ihm nichts anderes zu tun gelassen hatte, als etwas abzumalen. Deshalb bezahlte ich mit einem Betrag in Goldstaub, für welchen er sich für etliche über seinen Seherbüchern verbrachte Tage und Nächte reichlich hätte belohnt fühlen müssen. Mit der nötigen Feierlichkeit und Sorgfalt und unter Verwendung von mehr Pinseln und Schreibrohren als nötig, malte er auf die für meine Tochter bestimmte Seite seines Namensregisters die Symbole: Den einen Punkt für Eins und das Grasbüschel und danach zweimal die von mir ersonnenen Symbole für Immer: Vollständig hieß meine Tochter also: Ce-Malinali Zyanya-Nochipa, wurde jedoch für gewöhnlich Nochipa gerufen.
    Als Motecuzóma den Thron bestieg, hatte seine Hauptstadt Tenochtítlan sich erst zur Hälfte von den Verheerungen erholt, welche die Große Überschwemmung angerichtet hatte. Tausende von Einwohnern lebten immer noch auf engstem Raum mit jenen Verwandten zusammen, welche das Glück gehabt hatten, ihr Dach über dem Kopf zu behalten; oder hausten in rasch zusammengezimmerten Hütten aus den Trümmern, oder solchen, die aus den Blättern der Schwarzgrünen Agave zusammengesetzt wurden, welche man eigens vom Festland herübergebracht hatte; oder unter noch elenderen Umständen in Einbäumen, welche an den erhöhten Straßen der Stadt festgezurrt worden waren. Tenochtítlans Wiederaufbau samt Wohnhäusern für die Bevölkerung sollte unter Motecuzómas Leitung noch zwei volle weitere Jahre in Anspruch nehmen.
    Und wo er schon einmal dabei war, baute er auch gleich für sich selbst am Ufer des Kanals an der Südseite Des Herzens Der Einen Welt einen schönen neuen Palast. Es war der größte, luxuriöseste und der am üppigsten geschmückte und ausgestattete Palast, der je in diesen Landen errichtet worden war, weit großartiger und prächtiger noch als Nezahualpílis Stadt-und Landpalast zusammengenommen. Motecuzóma tat alles, um Nezahualpíli auszustechen, und baute sich gleichzeitig auch noch einen eleganten Landsitz am Rande jener bezaubernden Bergstadt Quaunáhuac, welche ich schon des öfteren bewundernd erwähnt habe. Wie ihr vielleicht wißt, ehrwürdige Patres, falls der eine oder andere von euch dort gewesen ist, weil euer Capitán-General Cortés diesen Palast zu seiner Residenz gemacht hat, müssen die zugehörigen Gärten immens sein, die prächtigsten und mit der größten Vielfalt bepflanzten Gärten, welche ihr jemals habt sehen können.
    Der Wiederaufbau von Tenochtítlan hätte schneller vonstatten gehen können – ja, überhaupt hätte das Wohlergehen des Mexíca-Reiches besser gesichert werden können –, wäre Motecuzóma nicht fast von dem Augenblick seiner Thronbesteigung an damit beschäftigt gewesen, einen Krieg nach dem anderen, manchmal sogar mehrere zugleich zu führen. Wie ich bereits berichtet habe, überzog er zunächst das oft angegriffene, vielbedrängte, aber immer unbeugsame Texcála neuerlich mit einem Krieg. Das freilich war zu erwarten gewesen. Ein neu inthronisierter Uey-Tlatoáni ließ bei Regierungsantritt fast immer seine Muskeln spielen, und Texcála war aufgrund seiner Nähe und seiner starren Feindseligkeit den Mexíca gegenüber das natürlichste Opfer, wenn es auch, hätten wir es wirklich erobert, kaum von irgendwelchem Nutzen für uns gewesen wäre.
    Gleichzeitig jedoch – Motecuzóma hatte gerade begonnen, die Gärten seines Landsitzes zu planen – hörte er von irgendeinem Reisenden von einem ganz besonderen Baum, welcher nur in einem kleinen Gebiet im Norden von Uaxyácac wuchs. Der Reisende nannte ihn recht einfallslos den »Baum mit den rotgefärbten Blüten«, doch ließ Motecuzóma sich von seiner Beschreibung bezaubern. Die Blüten dieses Baumes, sagte der Mann, wüchsen dergestalt, daß sie genauso aussahen

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