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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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war überhaupt keiner ums Leben gekommen. Die Spanier gingen nicht einmal hin, nach den Hauptverschwörern zu suchen, um sie zu bestrafen; nach ihrem Ausfall aus dem Palast hatten die weißen Männer sich nur wieder in diesen zurückgezogen und hätten es nicht gewagt, sich in der zornerfüllten Stadt blicken zu lassen.
    Um mich für meinen Mißerfolg bei der Beseitigung Malintzins zu entschuldigen, ging ich nicht zu unserem Oberbefehlshaber Cuitláhuac, der vor Wut und Enttäuschung außer sich sein mußte. Ich ging vielmehr zu Herrn Cuautémoc, von dem ich mir mehr Verständnis für mein Versagen erhoffte. Ich kannte ihn seit seinen Knabentagen, da er zusammen mit seiner Mutter Gast in meinem Hause gewesen war. Das war zu Zeiten, da sein Vater Ahuítzotl und meine Frau Zyanya noch gelebt hatten. Damals war Cuautémoctzin Kronprinz gewesen und hatte als Erbe des Throns der Mexíca gegolten; nur widrige Umstände hatten dazu geführt, daß er nicht Uey-Tlatoáni geworden war und Motecuzóma dieses Amt übertragen bekommen hatte. Da Cuautémoc Enttäuschungen nicht fremd waren, meinte ich, er werde nachsichtiger darüber urteilen, daß es mir nicht gelungen war, Malintzin zu hindern, die weißen Männer zu warnen.
    »Kein Mensch macht Euch einen Vorwurf daraus, Mixtzin«, sagte er, als ich ihm erzählte, wie sie dem Gift entgangen war. »Ihr würdet Der Einen Welt einen großen Dienst erwiesen haben, wenn Ihr diese Verräterin beseitigt hättet, doch was spielt es jetzt für eine Rolle, daß Ihr es nicht getan habt?«
    Verwirrt sagte ich: »Spielt keine Rolle? Warum nicht?«
    »Weil sie uns nicht verraten hat«, sagte Cuautémoc. Er verzog das Gesicht, als ob er Schmerzen litte. »Das hat schon mein erhabener Vetter besorgt. Unser Verehrter Sprecher Motecuzóma.«
    »Was?« entfuhr es mir.
    »Cuitláhuac ging zu dem Offizier Tonatíu Alvarado und erhielt die Erlaubnis, die Iztocíuatl-Zeremonie abzuhalten. Sobald Cuitláhuac den Palast verlassen hatte, sagte Motecuzóma Alvarado, er solle vor Betrug auf der Hut sein.«
    »Warum?«
    Cuautémoc zuckte mit den Achseln. »Verletzter Stolz? Rache aus Trotz? Motecuzóma konnte wohl kaum erfreut sein, daß der Aufstand die Idee seiner Untergebenen war und ohne ihn in die Wege geleitet wurde, ohne seine Zustimmung oder Beteiligung. Aus welchem Grund auch immer, er redet sich darauf hinaus, er werde nicht dulden, daß der Waffenstillstand mit Cortés gebrochen wird.«

Ich stieß einen Fluch aus, mit dem für gewöhnlich nicht gerade Verehrte Sprecher belegt werden. »Was wäre unser Waffenstillstandsbruch im Verhältnis dazu, daß auf sein Anraten hin tausend Frauen und Kinder seines eigenen Volkes hingemetzelt wurden?«
    »Nehmen wir nachsichtig an, daß er erwartet hat, Alvarado werde nur die Feier verbieten, und daß er nicht ahnen konnte, auf welche Weise die Feiernden auseinandergetrieben wurden.«
    »Auseinandergetrieben!« knurrte ich. »Das ist ein neues Wort für rücksichtsloses Abschlachten. Meine Frau, die nur zugesehen hat ist verwundet worden. Eine ihrer Dienerinnen wurde getötet und die andere hat sich vor Entsetzen irgendwo verkrochen.« »Wenn nichts anderes dabei herausgekommen ist«, sagte Cuautémoc seufzend, »hat der Zwischenfall unser Volk zumindest in seiner Empörung vereint. Zuvor haben sie nur gemurrt und geknurrt; manche haben Motecuzóma mißtraut, andere ihn unterstützt. Jetzt sind alle bereit, ihn zusammen mit allen anderen in dem Palast in Stücke zu reißen.«
    »Gut«, sagte ich. »Dann laßt uns das tun. Wir verfügen immer noch über die meisten unserer Krieger. Ruft die Städter auf – selbst alte Männer wie mich – und stürmt den Palast.«
    »Das wäre reiner Selbstmord. Die Fremden haben sich jetzt im Palast verbarrikadiert und hinter ihren Kanonen, Hakenbüchsen und Armbrüsten verschanzt, die aus jedem Fenster auf uns gerichtet sind. Wir könnten nicht an das Gebäude heran, ohne daß wir niedergemäht würden. Wir müssen sie in Handgemenge verwickeln, wie ursprünglich geplant, und müssen abwarten, bis sich dazu wieder eine günstige Gelegenheit bietet.«
    »Warten!« schnaubte ich und stieß noch einen Fluch aus.
    »Aber während wir warten, bringt Cuitláhuac noch mehr Krieger auf die Insel. Wahrscheinlich ist Euch bereits eine Zunahme des Verkehrs von Kanus und Frachtkähnen zwischen der Insel und dem Festland aufgefallen. Dem Anschein nach bringen sie Gemüse und Blumen und dergleichen. Doch unter jeder Ladung sind Männer

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