Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
als erwarteten sie, daß der Damm unter ihnen weggerissen würde.
    Dann taten seine Fußsoldaten eiligst das gleiche, das heißt, es liefen immer Kompanien von je etwa hundert Mann auf einmal.
    Nachdem er endlich wieder auf der Insel war, muß Cortés aufgeatmet haben. Es hatte weder einen Hinterhalt gegeben noch war er irgendwelchen Hindernissen begegnet. Zwar wurden sie von den Menschen auf den Straßen nicht stürmisch begrüßt, aber sie riefen ihnen auch keine Schmähungen zu. Sie nickten nur, als wären sie nie fortgewesen.
    Außerdem muß Cortés sich mit den anderthalbtausend Soldaten, die seine eigenen Landsleute waren, wesentlich gestärkt vorgekommen sein – von den vielen Tausenden verbündeter Krieger, welche in einem Bogen rings auf dem Festland kampierten, ganz zu schweigen. Vielleicht hat er sich sogar in dem Glauben gewiegt, wir Mexíca hätten uns nunmehr damit abgefunden, seine Oberherrschaft anzuerkennen. Infolgedessen marschierte er vom Stadtrand oder vom Ende der Dammstraße an durch die Stadt, als wäre er der anerkannte Eroberer.
    Cortés zeigte sich nicht überrascht, als er den Großen Platz so leergefegt daliegen sah; vielleicht glaubte er sogar, er sei eigens für ihn leergemacht worden. Jedenfalls machte das Gros seiner Streitmacht dort Halt und begann unter viel Lärm und mit viel Geschäftigkeit und unter Verströmen ganzer Wellen üblen Körpergeruches die Pferde anzuhalftern, Bettzeug auszurollen, Lagerfeuer anzulegen und sich überhaupt für eine unbestimmte Zeit häuslich dort niederzulassen. Sämtliche Texcaltéca mit Ausnahme ihrer Ritteranführer räumten den Palast des Axayácatl und schlugen ihr Lager gleichfalls auf dem Großen Platz auf. Motecuzóma und eine Schar ihm treu ergebener Höflinge kam zum erstenmal seit dem Iztocíuatl-Fest aus dem Palast heraus – und zwar, um Cortés zu begrüßen, welcher jedoch keinerlei Notiz von ihnen nahm. Er und sein neugewonnener Waffenkamerad, Narváez, stürmten an ihnen vorüber in den Palast.
    Ich nehme an, daß sie als erstes nach Essen und Trinken riefen, und gern hätte ich Cortés' Gesicht gesehen, als er nicht von Dienern bedient wurde, sondern von Alvarados Soldaten – und überdies nur muffige alte Bohnen und Atóli-Brei oder was sonst noch an Vorräten geblieben sein mochte, vorgesetzt bekam. Desgleichen wäre ich gern Zeuge der ersten Unterredung zwischen Cortés und Alvarado gewesen, als dieser sonnengleiche Offizier ihm berichtete, wie heldenhaft er den »Aufstand« unbewaffneter Frauen und Kinder niedergeschlagen, gleichwohl jedoch verabsäumt habe, mehr als eine Handvoll von Mexíca-Kriegern zu töten, welche also immer noch eine Bedrohung darstellten.
    Cortés und seine vergrößerte Streitmacht waren am Nachmittag auf die Insel gekommen. Offensichtlich blieben er und Narváez und Alvarado bis nach Einbruch der Dunkelheit zusammen, um zu beratschlagen, doch worüber sie sprachen und welche Pläne sie schmiedeten, wird niemand je erfahren. Ich weiß nur, daß Cortés zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Trupp seiner Soldaten zu Motecuzómas eigenem Palast hinüberschickte, wo sie mit Speeren, Brechstangen und Rammböcken die Mauern durchbrachen, mit denen Motecuzóma die Schatzkammern hatte verschließen lassen. Hinterher schafften die Soldaten – Ameisen gleich, welche zwischen Honigtopf und Nest hin und her eilten – den gesamten Schatz an Gold und Edelsteinen in den Speisesaal von Cortés' Palast. Selbiges kostete die Soldaten den größten Teil der Nacht, denn die Beute war gewaltig und bot sich ihnen nicht in leicht transportabler Form dar aus Gründen, die ich vielleicht besser erklären sollte.
    Da unser Volk glaubte, Gold seien die geheiligten Exkremente der Götter, horteten unsere Schatzmeister es nicht im Rohzustand von Goldstaub oder – klumpen und schmolzen es auch nicht in gesichtslose Barren oder schlugen Münzen daraus, wie ihr Spanier es tut. Ehe es im Schatzhaus verschwand, ging es durch die geschickten Hände der Goldschmiede, welche seinen Wert und seine Schönheit noch erhöhten, indem sie kleine Figürchen, edelsteinbesetzten Schmuck, Medaillons, Diademe, Filigran, Krüge, Becher und Schüsseln daraus fertigten – allerlei kleine Kunstwerke, zu Ehren der Götter geformt. Während Cortés also vor Zufriedenheit gestrahlt haben muß, als er den gewaltigen und immer größer werdenden Schatzhaufen sah, den seine Männer in seinem Speisesaal aufhäuften, so daß er diesen großen Saal nahezu

Weitere Kostenlose Bücher