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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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schrecklich …«
    Sie schloß die Augen, lehnte sich an den Türrahmen und sagte wie benommen: »Es kam Donner und Blitz vom Dach des Palastes, und die Tänzer – wie durch einen schrecklichen Zauber –, sie wurden einfach zerfetzt. Dann kamen die weißen Männer und ihre Krieger aus dem Palast hervorgestürmt mit noch mehr Feuer und – Lärm und blitzendem Metall. Eine solche Klinge kann eine Frau bis zur Hüfte spalten, Záa, hast du das gewußt? Und der Kopf eines kleinen Kindes rollt genauso wie ein Tlachtli-Ball, Záa, hast du das gewußt? Er ist mir geradenwegs bis vor die Füße gerollt. Als etwas meine Hand traf, bin ich geflohen …«
    Da erst sah ich, daß ihre ganze Bluse von Blut verschmiert war. Es lief ihr den Arm herunter von der Hand, mit welcher sie die Lampe hielt. Ich sprang im selben Augenblick auf die Füße, da ihr die Sinne schwanden und sie fiel. Ich fing die Funzel auf, ehe sie die Fußbodenmatten in Brand setzte. Dann hob ich Béu auf, um sie hinaufzubringen ins Bett. Malíntzin suchte in aller Gemütsruhe ihre Kleider zusammen und sagte:
    »Wollt Ihr mir denn nicht wenigstens danken? Ich und die Wachen können bezeugen, daß Ihr daheim wart und mit dem Aufstand nichts zu tun hattet.«
    Kalt starrte ich sie an: »Ihr habt es gewußt. Die ganze Zeit über.«
    »Selbstverständlich, Pedro hat mir befohlen, mich außerhalb des Gefahrenbereichs zu halten, und deshalb beschloß ich, hierherzukommen. Ihr wolltet verhindern, daß ich die Vorbereitungen Eurer Leute auf dem Großen Platz sähe.« Sie lachte. »Und ich wollte sichergehen, daß Ihr keine von den unseren sähet: daß wir zum Beispiel alle vier Kanonen auf dem Dach auf die Seite zum Platz hin verlegten. Aber Ihr müßt zugeben, Mixtzin, langweilig war der Abend nicht. Und wir haben einen Pakt geschlossen, oder etwa nicht?« Abermals lachte sie unbekümmert und belustigt. »Ihr könnt nie wieder die Hand gegen mich erheben. Jetzt nicht mehr.«
    Ich begriff keineswegs, was sie damit meinte, bis Wartender Mond wieder zu sich kam und es mir erzählte. Das war, nachdem der Arzt gekommen und sich um ihre Hand gekümmert hatte, die von einem Splitter aufgerissen worden sein mußte, welche die Kanonen der Spanier ausgespien hatten. Nachdem der Arzt fort war, blieb ich an ihrem Lager sitzen. Béu lag da, sah mich nicht an; ihr Gesicht war womöglich noch bleicher und sorgenzerfurchter als zuvor, eine einzelne Träne rann ihr über die Wange, und lange Zeit schwiegen wir beide. Zuletzt brachte ich es über mich, mit belegter Stimme zu sagen, daß es mir leid tue. Mich immer noch nicht anblickend, sagte sie:
    »Du bist mir nie ein Ehemann gewesen, Záa, und du hast nie zugelassen, daß ich dir eine Ehefrau wäre. Deshalb lohnt es sich nicht, über deine Treue oder Untreue auch nur ein Wort zu verlieren. Doch daß du irgendeinem – irgendeinem eigenen Standard treu geblieben bist, ist etwas anderes. Es wäre schlimm genug, wenn du mit dieser Frau geschlafen hättest, die von den weißen Männern benutzt worden ist. Aber das hast du nicht. Ich bin dagewesen, und ich weiß es.«
    Darauf drehte Wartender Mond ihr Gesicht mir zu und bedachte mich mit einem Blick, welcher den Abgrund an Gleichgültigkeit überbrückte, der uns so lange getrennt hatte.
    Zum erstenmal seit unseren Jugendjahren spürte ich, daß ein Gefühl von ihr ausging, von dem ich wußte, daß es nicht gespielt oder aufgesetzt war. Und da es sich um ein echtes Gefühl handelte, wünschte ich, es hätte ein herzlicheres sein können. Denn sie sah mich an, wie sie wohl eines der menschlichen Ungeheuer im Tierhaus angesehen haben würde, und sie sagte:
    »Was du getan hast – ich glaube, es gibt nicht einmal eine Bezeichnung dafür. Während du … während du in ihr warst … ließest du deine Hände über ihren ganzen nackten Leib fahren und murmeltest liebevoll: ›Zyanya, meine Geliebte‹, sagtest du und ›Nochipa, mein Lieblinge« Sie schluckte, als käme es ihr plötzlich hoch. »Weil die beiden Namen dasselbe bedeuten, weiß ich nicht, hast du nun bei meiner Schwester gelegen oder bei deiner Tochter, oder bei beiden, oder nacheinander bei beiden. Aber das eine weiß ich: Die beiden Frauen, welche Immer hießen – deine Frau und deine Tochter –, sind vor Jahren gestorben. Záa, du hast dich mit den Toten gepaart.«
    Es schmerzt mich, ehrwürdige Patres, zu sehen, wie Ihr die Augen abwendet, genauso wie Béu Ribé sich von mir abwandte, nachdem sie in dieser Nacht diese

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