Der Azteke
und Waffen verborgen – Cacámas Acólhuas, Truppen aus Texcóco, Tecpanéca-Krieger aus Tlácopan. Und während wir stärker werden, dürften unsere Gegner schwächer werden. Während des Massakers sind sämtliche Diener und Sklaven aus dem Palast geflohen. Jetzt wird ihnen selbstverständlich kein einziger Mexícatl-Händler Nahrung oder irgend etwas anderes liefern. Wir lassen die weißen Männer und ihre Freunde – Motecuzóma, Malíntzin und alle anderen – in ihrer Festung sitzen und eine Zeitlang schmoren.«
Ich fragte: »Hofft Cuitláhuac, sie auszuhungern und dadurch zum Waffenstrecken zu zwingen?«
»Nein. Zwar wird es nicht besonders angenehm darinnen sein, aber die Küchen und Vorratskammern sind so voll, daß es ausreichen dürfte, bis Cortés wieder zurückkommt. Wenn er kommt, darf er nicht den Eindruck gewinnen, daß offene Feindseligkeiten bestehen und wir den Palast belagern, denn dann brauchte er nur die Insel selbst auf ähnliche Weise abzuriegeln, um uns auszuhungern, so wie wir sie aushungern.«
»Aber warum ihn überhaupt wieder hierherkommen lassen?« wollte ich wissen. »Wir wissen, daß er auf dem Anmarsch ist. Ziehen wir doch hinaus und stellen wir uns ihm in offener Feldschlacht.«
»Habt Ihr vergessen, wie er die Schlacht von Texcála gewonnen hat? Und jetzt verfügt er über wesentlich mehr Männer, Pferde und Waffen. Nein, auf dem offenen Felde werden wir uns ihm nicht entgegenstellen. Cuitláhuac will Cortés hierherkommen lassen, ohne daß ihm irgendwelcher Widerstand begegnet. Er soll alle seine Leute im Palast vorfinden, ohne daß ihnen ein Haar gekrümmt worden wäre; es soll aussehen, als wäre der Waffenstillstand wiederhergestellt. Doch wenn wir ihn und alle weißen Männer in unseren Stadtgrenzen haben, werden wir angreifen – wenn es sein muß, auch selbstmörderisch –, und wir werden sie hinwegfegen von dieser Insel und dem ganzen Seenbecken.«
Vielleicht hatten die Götter ein Einsehen und meinten, es sei Zeit, daß das Tonáli von Tenochtítlan sich zum Besseren wende, denn dieser letzte Plan gelang. Es gab nur wenige unvorhergesehene Schwierigkeiten.
Als uns die Meldung erreichte, daß Cortés mit seiner großen Streitmacht näher rücke, bemühte sich jeder in der Stadt nach einem Befehl des Regenten Cuitláhuac den Eindruck zu erwecken, als gehe das Leben ungestört und normal weiter; darin bildeten auch die Witwer und Waisen und anderen Angehörigen der erschlagenen Unschuldigen keine Ausnahme. Alle drei Dammstraßen erhielten wieder ihre Brücken, und Reisende und Träger zogen und trotteten hin und her. Die Kanus und Frachtkähne, welche auf den Kanälen der Stadt und auf dem See um die Insel herum verkehrten, beförderten in der Tat nur harmlose Fracht. Die Tausende von Acólhua und Tecpanéca-Kriegern, welche sie zuvor unbemerkt und vor der Nase von Cortés' Verbündeten auf dem Festland in die Stadt hineingeschafft hatten, ließen sich in dieser Zeit nicht blicken. Allein in meinem Haus lebten acht von ihnen, langweilten sich und brannten darauf, etwas zu unternehmen. Der einzige nahezu leere Teil der Stadt war Das Herz Der Einen Welt, dessen Marmorboden noch von Blut gefärbt war und über den nur die Priester der umliegenden Tempel hinwegeilten, die nach wie vor ihren täglichen Pflichten nachgingen, beteten und sangen, Weihrauch abbrannten und morgens, mittags und abends auf ihren Muschelhörnern die Zeit angaben.
Cortés war sehr mißtrauisch und fürchtete offensichtlich Feindseligkeiten, denn selbstverständlich hatte er von dem nächtlichen Massaker gehört und wollte nicht mit seinem riesigen Heer Gefahr laufen, in einen Hinterhalt zu geraten. Nachdem er Texcóco in einiger Entfernung vorsichtig umrundet hatte, stieß er wie zuvor um das südliche Seeufer herum vor, marschierte jedoch nicht über die südliche Dammstraße nach Tenochtítlan hinein. Wären seine Leute auf dem längsten Damm auseinandergezogen gewesen, hätten sie sich möglicherweise einem von Kanus vorgetragenen Angriff ausgesetzt sehen können. Er marschierte daher weiter um den See herum, ließ unterwegs Prinz Schwarz Blume und seine Krieger zurück, stellte in Abständen seine großen Kanonen mit Bedienungsmannschaft auf, welche alle über das Wasser auf die Stadt gerichtet waren. Er marschierte ganz bis nach Tlácopan, weil die von dort ausgehende Dammstraße den kürzesten Zugang zur Stadt bildete. Als erste galoppierten er und rund hundert Reitersmänner darüber hinweg,
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