Der azurne Planet
Gebäude der Plattform war das letzte Bauwerk, das man in Angriff nahm. Der neue Turm war sogar noch höher als der alte und wuchtiger in der Gestaltung. Er stand zudem der Lagune etwas näher.
Auch die Bauart unterschied sich von der des alten und rief unter den Bewohnern Tranques eine Menge Diskussionen hervor. In der Regel wurden die Grundpfeiler durch ein Loch im Unterboden geschoben und unter dem Wasserspiegel mit dem Hauptstamm der Pflanze verbunden. Die Pfeiler der Neukonstruktion endeten jedoch in einer niedrigen Plattform mit einer Seitenlänge von etwa zehn Metern. Aus dieser Plattform erhoben sich vier Beine: große Pfähle – jeder von ihnen über dreißig Meter lang und hergestellt aus gehärtetem Weidengeflecht –, die von starren Verstrebungen gehalten wurden und allmählich auf einen Rahmen zuliefen, der anderthalb Meter Seitenlänge besaß.
Die Abmessungen des Turms, die massigen Pfähle und der vergleichsweise geringe Grundriß der Arbeitsplattform erweckten natürlich das Aufsehen, die Neugier und die Kritik der Menschen, die einer solch unkonventionellen Bauart noch nicht begegnet waren. Bei einem dieser Zusammentreffen beschuldigte Ixon Myrex Rollo Bernack, dem Meister der Langfinger, der Abweichung.
»Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen solchen Turm gesehen!« beschwerte er sich. »Und ich sehe überhaupt kein Bedürfnis für eine solche Konstruktion. Die Pfähle sind oben ebenso dick wie unten. Was hat das zu bedeuten?«
»Diese Konstruktion verleiht dem Turm eine zusätzliche Festigkeit«, erwiderte Rollo Barnack und zwinkerte seinen Leuten zu.
»Vielleicht, vielleicht«, beeilte Ixon Myrex sich zu versichern. »Aber sie stehen unten so eng beieinander, daß schon ein etwas stärkerer Windstoß genügen wird, um ihn umzuwerfen und über die Lagune hinauszublasen!«
»Glaubst du das wirklich?« fragte Rollo Barnack ernsthaft, trat einen Schritt zurück und musterte den neuen Turm mit einem Blick, als sähe er ihn zum ersten Mal.
»Ich bin kein Langfinger«, sagte Ixon Myrex, »und ich weiß nicht viel über Baukonstruktionen, aber mir erscheint es eben so. Wenn jetzt noch das Turmhaus hinzukommt und die Lampen und Signaltücher an den Rahnocken befestigt werden … Hast du denn gar nicht an das Hebelmoment gedacht?«
»Da hast du recht«, sagte Rollo Barnack. »Um dem gerecht zu werden, ist es vielleicht besser, wenn wir noch ein paar Haltetaue anbringen.«
Der Schiedsmann schüttelte verwirrt den Kopf. »Warum habt ihr den Turm nicht in der alten Weise gebaut? Mit Stützbeinen, die sich nach oben hin verjüngen? Dann hättet ihr euch die Halteseile sparen können!«
»Dafür nehmen wir aber auch viel weniger Platz in Anspruch«, sagte Rollo Barnack. »Und das ist ja immerhin auch wichtig.«
Ixon Myrex schüttelte zwar verständnislos den Kopf, äußerte jedoch keinen weiteren Protest mehr.
Die Halteseile wurden angebracht, dann machte man sich an den Bau des Signalgebergebäudes und brachte die großen Rahnocken an, an denen die Lampen hingen. Die Arbeit an letzterem wurde mit der größtmöglichsten Sorgfalt vorgenommen, und das Material, das dazu verwendet wurde, war von höchster Qualität. Als Ixon Myrex dem Signalturm einen weiteren Besuch abstattete, wunderte er sich über die ungewöhnliche Ausdehnung der Rahnock. Als er dafür eine Erklärung verlangte, verwies Rollo Barnack darauf, daß die Lampen während der Signalgebung jetzt so gut wie nicht mehr vibrieren würden und man die Symbole besser lesen könne. »Keine Angst, Schiedsmann«, meinte er. »Wir haben die Konstruktion des neuen Turms bis in die letzten Einzelheiten ausgetüftelt.«
»Wie auch die Halteseile, nehme ich an, wie?« fragte Ixon Myrex bissig. »Wenn ich mir nur ansehe, womit ihr die Beine des Turms an der Grundplattform befestigt habt – mit Trossen! Ist das die Art, in der man einen Signalturm baut?«
»Wir hoffen, daß er seinen Zweck erfüllen wird«, sagte Rollo Barnack. »Und wenn er das tut, wollen wir gar nicht mehr von ihm verlangen.«
Erneut eilte Ixon Myrex kopfschüttelnd von dannen.
Während der ganzen Zeit hatte sich König Krakon nicht ein einziges Mal in der Umgebung von Tranque sehen lassen.
Gelegentlich kamen vom Thrasneck-Signalturm Informationen über seinen derzeitigen Aufenthalt: Er hatte im Süden gekreuzt und war von Sankston aus nach Westen gegangen. Er hatte Socialis heimgesucht, um sich dort satt zu fressen, und sich dann bei Parnassus den Wanst
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