Der azurne Planet
gaben sie nach. Am Nachmittag rief Sklar Hast die Bewohner der Pflanzenplattform zusammen.
Er sprach nur kurz und kam sofort zur Sache. »Tranque ist wieder zum normalen Leben zurückgekehrt, und das Leben hier scheint gleichmäßig und ungestört weiterzulaufen. Ich glaube, daß es fair ist, wenn ich darauf hinweise, daß dies eine trügerische Illusion ist. Viele von uns wenden sich immer noch gegen die Herrschaft von König Krakon. Wir haben beschlossen, sie zu beenden. Möglicherweise werden wir dabei verlieren; es ist nicht auszuschließen, daß er dann noch schrecklicher Rache nehmen wird als bei seinem ersten Angriff. Seid hiermit gewarnt und überlegt euch, ob ihr nicht lieber auf eine Plattform übersiedeln wollt, auf der die Gesetze mehr geachtet werden als hier.«
Ixon Myrex sprang auf. »Sklar Hast – du hast keinesfalls das Recht, uns alle in diese Unglückstat mit hineinzuziehen! Das ist nicht Rechtens! Das ist mein Urteil als Schiedsmann!«
Sklar Hast gab keine Antwort.
Semm Voiderveg sagte: »Natürlich kann ich die Ansichten des Schiedsmanns nur wärmstens unterstützen! Darf man zumindest fragen, wie ihr euren verderblichen Plan in die Tat umsetzen wollt?«
»Wir sind dabei, eine giftige Schwammart zu entwickeln«, sagte Roger Kelso. »Wenn König Krakon sie frißt, wird sich seine Haut mit Wasser vollsaugen, und er ertrinkt.«
Sklar Hast wandte sich von der Versammlung ab, ging zum Plattformrand hinüber und starrte auf das Wasser. Hinter ihm unterhielt man sich noch eine Weile, dann standen die Leute in Zweier-, Dreier- und Vierergruppen auf und begaben sich in ihre Hütten.
Meril Rohan näherte sich Sklar Hast, und einen Moment lang starrten beide in das Zwielicht hinaus. Schließlich sagte Meril: »Wir beide leben in schwierigen Zeiten. Es ist schwer zu sagen, was richtig und falsch ist und wie man sich verhalten soll.«
»Wir leben am Ende einer Ära«, erwiderte Sklar Hast. »Das Goldene Zeitalter, das Zeitalter der Unschuld hat aufgehört. Gewalt, Haß und Unrast sind auf die Plattformen gekommen. Die Welt wird nie wieder so sein wie sie früher war.«
»Vielleicht wird aus allem eine neue und bessere Welt werden.«
Sklar Hast schüttelte den Kopf. »Ich bezweifle es. Selbst wenn König Krakon in diesem Augenblick verenden und sinken sollte, würde es noch Veränderungen geben. Es sieht so aus, als sei die Zeit einfach reif für einen Umschwung. Wir können nur vorwärts gehen – oder zurück.«
Meril Rohan schwieg. Dann deutete sie nach Thrasneck hinüber. »Schau dir die Zeichen an.«
»… König … Krakon … wurde … nördlich … von … Quincunx … gesehen … Er … zieht … nach … Osten … weiter …«
»Es ist noch nicht soweit«, sagte Sklar Hast. »Wir sind noch nicht fertig.«
Am nächsten Tag wurde König Krakon im Norden von Tranque gesehen. Er trieb friedlich dahin und schien kein festes Ziel zu haben. Eine Stunde lang schwamm er hin und her, und seine Glotzaugen waren dabei ständig auf Tranque gerichtet, als sei er von irgendeiner unbestimmten Neugier erfüllt. Semm Voiderveg, angetan mit seiner Dienstrobe, eilte aus seiner Hütte und stellte sich am Plattformrand auf, wo er seine rituellen Mätzchen aufführte und um die Gunst des Ungeheuers bettelte. König Krakon musterte ihn einige Zeit, dann gab er irgendeiner unverständlichen Emotion nach, gab seinem Körper einen Schubs und wandte sich mit Hilfe seiner Schaufeln um. Er schwamm nach Westen, während seine Kinnbacken mahlten und seine Fühler hin und her tasteten.
Semm Voiderveg machte einen letzten Kniefall und beobachtete König Krakons Verschwinden.
Als er sich auf den Weg zu seiner Hütte machte, traf sein Blick die Augen des in der Nähe stehenden Sklar Hast. Einen Augenblick lang musterten die beiden Männer einander, und es wurde offensichtlich, wie feindlich sie einander gegenüberstanden – zwischen ihnen konnte es keinerlei Verständigung geben. Sklar Hast spürte, daß er in bezug auf Semm Voiderveg völlig andere Gefühle besaß als jene der simplen Geringschätzung, die er Ixon Myrex entgegenbrachte. Es erschien ihm, als sei Semm Voiderveg selbst ein Teil von König Krakon, als flösse in seinen Adern statt des roten menschlichen Blutes die dicke indigofarbene Brühe eines Meeresungeheuers.
Eine Woche später schlug König Krakon sich an den Schwammpfählen von Bickles den Magen voll, und einen Tag darauf geschah dasselbe auf Thrasneck. Am übernächsten durchbrach er hundert
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