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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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sich mit Ulrike Meinhof verabredet hatte. Ulrike trug eine blonde Perücke. »Wir waren über die Plakatfahndung nach Ulrike erschrocken und unvorbereitet«, erinnerte sich Astrid Proll später. »Keiner erlaubte sich den Gedanken, daß Meinhofs Unfreiheit der Preis für die Befreiung gewesen sein könnte. Wir schauten ausschließlich nach vorn, für Reflexion gab es keinen Raum. Die einsetzende Fahndung vereinte erst einmal.«
    Vor der Verhaftung Baaders hatte Astrid Proll zunächst mit ihm und Gudrun Ensslin gemeinsam in der Jenaer Straße, nicht weit entfernt von Ulrike Meinhofs Wohnung in der Kufsteiner Straße, gewohnt. Während Andreas in Haft gewesen war, hatte sie allein mit Gudrun zusammengelebt. Wenn sie am Abend von ihrer Logistikarbeit für die anstehende Befreiung zurückgekommen war, hatte Gudrun gekrümmt auf dem Bett gesessen und Briefe an ihren Geliebten im Gefängnis geschrieben, Nacht für Nacht: »Manchmal kamen noch spät Meinhof oder Mahler, um noch etwas zu besprechen. Obwohl ich beide gut kannte, war es gespenstisch. Ich fühlte für Gudrun, das Geheimnis um die Qual im Gefängnis hat es mir jedoch nicht verständlicher gemacht.«
    Nach Baaders Befreiung wurde die Jenaer Straße vorübergehend zum Hauptwohnsitz der Gesuchten. In den sechs Wochen vor der Abreise in den Nahen Osten verbrachten sie ihre Zeit vor allem an Orten, die nicht von Berliner Linken besucht wurden. Am Kurfürstendamm spazierten sie mit Touristen umher, gingen ins Kino oder ins Café. »Wir gaben unsere bisherigen jungen Leben auf und lebten mehr und mehr von und in der Gruppe«, erinnerte sich Proll. »Baader und Ensslin fuhren jedesmal mit einem großen Schlitten durch die Uhlandstraße in die City. Wir kauften Kleider für die Reise nach Jordanien. Gudrun kaufte bei Selbach auf dem Kurfürstendamm für Andreas eine halblange Badehose, mit der er später in einem Schwimmbad auffiel. Ensslin kaufte gern ein, für ihren Boyfriend und andere. Sie kaufte Qualität. Schon in Frankfurt überraschten wir Baader öfter mit einer neuen Hose. Das Einkaufen von guter Kleidung und Lebensmitteln spielte in den Jahren danach neben dem Nutzwert eine ebenso wichtige psychologische Rolle.«
    Baader war ihr schon immer wie ein »typisches Männerprodukt der siebziger Jahre« vorgekommen. »Seine Freundin kümmerte sich um den Haushalt und schaffte alles ran. Er ließ sich von ihr anziehen, Kleider in die Reinigung bringen und bügeln. Sie bezahlte immer, er selbst trug nie Geld bei sich. So gesehen war er ein gut betreuter junger Mann.«
    Gudrun Ensslin vergaß nie die normalen Dinge des Lebens: »Als wir später in Kassel nach einem Banküberfall eine Wohnung verlassen mußten, wischte sie noch schnell den Boden.«
    Die Hälfte der Gruppe wurde inzwischen steckbrieflich gesucht. Es war ein heißer Sommer, und nachts gingen alle einige Male im Berliner Schlachtensee schwimmen. Baader war häufig als einziger Mann dabei. Er liebte Aktivitäten und Umtriebigkeit. »Wir verstauten unsere Pistolen unter unserer Kleidung und sprangen ins Wasser, schwammen ruhig unter nächtlichem Himmel. Es war schön und normal und markierte unsere Lebensfreude«, erzählte Astrid Proll später. Bei einem der Ausflüge bekam eine der Frauen im Wasser einen Krampf und wäre fast ertrunken: »Wir konnten sie erreichen und ans Ufer retten.«
    Inzwischen waren die Vorbereitungen für die Reise nach Jordanien abgeschlossen. Der Palästinenser Said Dudin hatte Kontakte nach Jordanien geknüpft, die Flugtickets waren bei der DDR -Fluggesellschaft »Interflug« gebucht, und es waren per Telegramm neun Zimmer im Hotel »Strand« in Beirut bestellt worden.
    Am 8 . Juni 1970 um 9 . 20 Uhr sollte die erste Reisegruppe vom Ostberliner Flughafen Schönefeld starten. Zuvor aber wollte man noch etwas für die Öffentlichkeit tun.
    Die französische Journalistin Michèle Ray, ehemaliges Chanel-Mannequin in Paris, die Ulrike Meinhof von der Zeitschrift »konkret« her flüchtig kannte, wurde in Paris angerufen. Auf englisch erklärte man ihr, sie möge »in einer wichtigen Sache, die die Linke betrifft«, nach Berlin reisen. Michèle Ray, damals 31  Jahre alt, im sechsten Monat schwanger, entschloß sich zu fahren, nachdem ihr der Anrufer noch ein paar Namen prominenter deutscher Linker als Referenz genannt hatte. Die Französin, verheiratet mit dem Filmregisseur Costa-Gavras, war als engagierte Linke darauf spezialisiert zu beschreiben, was hinter der Front geschah. So

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