Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Baader den Plan entwickelt, aus Rache für den Tod von Petra Schelm in Hamburg Polizeihubschrauber zu sprengen. Baader war dagegen und hat schließlich Manfred Grashof dazu gebracht, von diesem Plan abzulassen.« Grashof habe damals auch vorgehabt, eine Wohnung zu verminen: »Also, eine Art Splitterbombe in eine Wohnung einzubauen. Die sollte mit einem Mechanismus gekoppelt werden, so daß sie beim Öffnen, nachdem bei der Polizei ein Hinweis auf diese Wohnung eingegangen wäre, automatisch explodiert.«
Wie andere Gruppenmitglieder auch wurde Manfred Grashof im Stammheimer Prozeß als Zeuge geladen, um die Aussagen des »Kronzeugen« Gerhard Müller zu widerlegen. Grashof sagte:
»Nach der Ermordung Petras gab es damals in allen Gruppen ein sehr starkes Bedürfnis zu handeln. Es war klar, daß die Bullen nach eineinhalb Jahren permanenter Niederlagen gezielt Jagd gemacht haben. Wir wissen, daß es damals einen Schießbefehl für die Bullen gab.
Wir hatten eine Diskussion darüber und haben diese Aktionen verworfen, ganz einfach, weil sie bedeutet hätten, daß ein Angriff auf Polizeistationen und Polizeieinrichtungen im Widerspruch stehen würde zur Hauptlinie, nämlich bewaffneter Kampf gegen den Hauptfeind, den Imperialismus, die US -Militärpräsenz in der Bundesrepublik und in Westberlin.«
25. RAF und » 2 . Juni« – erstes Gespräch
In diesem Sommer 1971 wurde Bommi Baumann aus der Haft entlassen. Als er durch das Anstaltstor trat, sah er ein hübsches achtzehnjähriges Mädchen, das auf ihn wartete: Juliane Plambeck. Später ging sie zur RAF und kam bei einem Autounfall ums Leben.
»Soll ich dir ein Eis kaufen?« fragte Juliane. Bommi Baumann hatte nach fast zwei Jahren Haft eigentlich etwas anderes im Sinn.
An einem der nächsten Tage ging er zu seinen alten Freunden, die inzwischen eine Art anarchistische Konkurrenzorganisation zur RAF aufgebaut hatten, die »Bewegung 2 . Juni«, benannt nach dem Todestag des Studenten Benno Ohnesorg.
Kurz darauf meldete sich in Berlin einer der RAF -Kader bei den Leuten vom » 2 . Juni«. Sie sollten eine bestimmte Telefonnummer in Hamburg anrufen. Bommi und Georg von Rauch gingen in eine Telefonzelle. »Ja, kommt jetzt alle rüber nach Hamburg, schneidet euch die Haare«, sagte Gudrun Ensslin.
»Ihr seid wohl nicht mehr ganz klar im Kopp«, antwortete Georg. »Warum seid ihr überhaupt in Hamburg?«
»Ja, Hamburg ist eine große Stadt«, antwortete Gudrun Ensslin gedehnt.
»Das ist ja ein unheimlich günstiges Argument«, warf Bommi Baumann ein, der mitgehört hatte. »Dann können wir ja alle nach New York gehen, oder Kalkutta, noch besser. Das sind auch große Städte. Kenn ich Hamburg, oder was? Das ist doch Wahnsinn. Wir bleiben hier.«
Gudrun Ensslin wurde ärgerlich.
Die Angehörigen der »Bewegung 2 . Juni« hatten sich gerade überlegt, wie sie die nächsten Monate gestalten könnten. »Wir haben uns gesagt: Wir holen jetzt Leute aus dem Knast. Das ist die einzige Chance, daß es irgendwie weitergeht. Wenn
wir
einreiten, dann holen uns
die
wieder raus. So haben wir dann eine Kontinuität gesichert. Also machen wir eine Befreiungsaktion«, schilderte Bommi Baumann später die damalige Lage.
26. Spätlese
Als das »Sozialistische Patientenkollektiv« in Heidelberg von Petra Schelms Tod erfuhr, fühlten sich die Mitglieder in ihrer Meinung bestätigt, daß es notwendig sei, den Weg in den Untergrund anzutreten.
Klaus Jünschke fuhr im VW -Kübelwagen des SPK -Chefs Dr. Huber umher und übte Geländefahren. Eine Polizeistreife, die Mitglieder des SPK immer im Visier, hielt ihn an und prüfte seine Papiere. Jünschke zog seinen Personalausweis und überreichte ihn den Beamten. Sie sahen erst das Foto an, dann ihn.
Er hatte das Paßbild gegen ein Foto von Mao Tse-tung ausgetauscht. Jünschke wurde festgenommen. Ein paar Tage war er in Haft, dann wurde er wieder freigelassen.
Nicht lange danach tauchten ehemalige SPK -Mitglieder, die inzwischen bei der RAF waren, bei ihm auf und wollten ihn anwerben.
Wenn er einverstanden sei, solle er an einem bestimmten Abend um 22 . 00 Uhr in einem Park in Frankfurt sein. Erkennungszeichen sei eine »Welt am Sonntag« unterm Arm. Klaus Jünschke beschloß, die Reise anzutreten – eine Reise, die in einer lebenslangen Strafe endete.
Später, nach dreizehn Jahren Haft, sagte er während eines Gesprächs im Gefängnis: »Ich habe sicherlich tausendmal darüber nachgedacht, wie jeder, der zu
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