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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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»Er fand es schlecht, unter solchen Bedingungen unterwegs zu sein.« Bei einer Polizeikontrolle solle sie sich sofort auf den Boden werfen.
    Ein paar Tage später ging es zurück nach Hamburg. Sie traf Ulrike Meinhof, und die erklärte ihr, sie solle mit drei anderen Leuten aus dem SPK , die Heidelberg verlassen hatten, eine eigene Gruppe bilden. Die RAF würde ihnen beim Einstieg in den Untergrundkampf helfen. Margrit und Holger saßen zusammen in einer engen Wohnung, die ihnen die Genossen zur Verfügung gestellt hatten, und wußten nicht recht, was sie tun sollten. Ulrike Meinhof besuchte sie, gab ihnen Geld und sagte: »Das ist Revolutionsgeld, da will ich genau wissen, was ihr wofür ausgebt. Das ist nicht zum Verprassen.«
    Sie hatte ihnen auch Korkenzieher mitgebracht, jene RAF -Erfindung, mit der man in Windeseile Autos knacken konnte. Ulrike erklärte ihnen, wie für gestohlene Fahrzeuge die Daten für neue gefälschte Papiere beschafft wurden, wie man den Polizeifunk abhörte, alles, was die ehemalige Journalistin sich inzwischen an Handwerkszeug für die Logistik des Untergrundkampfes angeeignet hatte. Dann zogen die vier eher lustlos durch die Nächte, doch ihnen fiel nicht ein, was für eine gemeinsame Aktion sie machen könnten.
    Dann kam Jan-Carl Raspe zu ihnen. Es ging um Geld. »Ist ja wohl klar, daß ihr nicht ewig Kohle von uns kriegt. Ihr müßt schon selber auf die Beine kommen. Habt ihr mal daran gedacht? Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Geldtransport, Kassenbote, vor ’nem Supermarkt, Bank.« Im Großraum Hannover habe die RAF schon mal einiges ausgecheckt.
    Sie fuhren mit der Bahn nach Hildesheim und nahmen die Hauptkasse eines Kaufhauses ins Visier. Dann begannen sie, Banken »auszuchecken«. Margrit Schiller fand das viele Zugfahren mühsam: »Ich fühlte mich oft müde, kaute endlos Gummibärchen, die mir die Zähne kaputtmachten. Ich konnte kein Ziel entdecken, für das unser Handeln einen Sinn gemacht hätte. Mein Kopf war leer, ohne Phantasie. Alles blieb grau.«

24. Die erste Tote
    Am 6 . Mai 1971 wurde in Hamburg Astrid Proll von einem Tankwart erkannt und von der Polizei festgenommen. Die Kriminalbeamten wollten ihre Verhaftung geheimhalten. Sie hatten in Astrid Prolls Tasche einen Schlüsselbund gefunden und suchten die dazugehörige Wohnung, in der sie noch mehr Gruppenmitglieder vermuteten. Die Polizisten zogen einen Kreis mit dem Radius von fünfhundert Metern um den Ort ihrer Verhaftung. Dann schwärmten Beamte aus, um das passende Schlüsselloch zu dem Haustürschlüssel zu finden. Drei Tage lang steckten die Polizisten drei Schlüssel in 2167 verschiedene Schlüssellöcher, ohne daß die Bewohner der Häuser etwas davon merkten. Am dritten Tag hatten sie das passende Schloß gefunden; eine Wohnung im dritten Stock in der Lübecker Straße 139 .
    Doch alles, was sie entdeckten, waren Fingerabdrücke von Gudrun Ensslin und Andreas Baader – und Papiere, aus denen hervorging, daß Überfälle auf Geldtransporte der Hamburger Sparkasse und des Armoured Car Service geplant waren.
    Im Bundeskriminalamt wurde ein neuer Plan zur Ergreifung der übriggebliebenen neun Gruppenmitglieder ausgearbeitet. Die Aktion unter dem Decknamen »Hecht« war Verschlußsache, nur die Chefs der verschiedenen Kripodienststellen waren davon unterrichtet.
    Am Morgen des 15 . Juli 1971 sperrten dreitausend Polizeibeamte in ganz Norddeutschland die wichtigsten Straßen ab und führten Kontrollen durch. Es war der 425 . Tag der Baader-Meinhof-Fahndung.
    Um 14 . 15 Uhr näherte sich auf der Stresemannstraße im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld ein blauer BMW 2002 einer der fünfzehn Polizeisperren, die an diesem Tag in Hamburg errichtet worden waren. Am Steuer saß ein blondes Mädchen, daneben ein bärtiger junger Mann. Die Polizisten hoben ihre Kellen. Sie hatten den Auftrag, jeden BMW zu stoppen. Die schnellen bayerischen Autos galten zu jener Zeit als bevorzugte Fahrzeuge der Gruppe. Im Volksmund hieß BMW bereits Baader-Meinhof-Wagen. Das Mädchen am Steuer gab Gas, durchbrach die Sperre und raste an acht Polizisten mit Maschinenpistolen im Anschlag vorbei. Ein Funkwagen nahm die Verfolgung auf. Ein zweiter Polizeiwagen, ein Mercedes, überholte den BMW und stellte sich mit quietschenden Reifen quer.
    Das Mädchen und ihr Begleiter sprangen aus dem Wagen und liefen davon. Dabei, so behaupteten die Beamten später, schossen die beiden aus belgischen Armeepistolen vom Typ FN , Kaliber neun

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