Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
macht Spaß. Das darf es nicht. Dieser Job, den wir machen, der ist ernsthaft. Es darf keinen Spaß machen«, sagte Gudrun Ensslin.
»Du mußt doch nicht mehr richtig ticken«, erwiderte Bommi.
»Wie du schon rumläufst«, sagte Ensslin. Sie spielte auf Baumanns lange Haare, den Bart, das schlampige Äußere an. Sie selbst trug lange Strickhosen, weit wie ein Rock, darüber eine elegante Lederjacke. Es paßte alles nicht so recht zusammen, wirkte aber irgendwie bürgerlich. Gudrun kam auf die Promiskuität der Leute vom » 2 . Juni« zu sprechen. »Wir unterstützen die Zweierbeziehung«, sagte sie tadelnd.
Ensslin und Baader tauchten fast immer gemeinsam auf. Zwar verkehrten die beiden in höchst rüdem Ton miteinander, aber dennoch war stets erkennbar, daß sie zusammengehörten, daß niemand einen Keil zwischen sie treiben konnte. Von Frauen sprachen sie immer als »Fotzen«, Andreas Baader redete auch Gudrun Ensslin so an. Sie nannte ihn »Baby«.
Baumann ging die gewollte Vulgärsprache auf die Nerven, sie wirkte unnatürlich, aufgesetzt, künstlich.
Wenn Andreas Baader in einen seiner endlosen Monologe verfiel, blickte sie schweigend von einem Zuhörer zum anderen, drehte ihren Kopf von links nach rechts und wieder zurück. »So, wie eine Kobra ihr Opfer einpendelt«, dachte Baumann. Dann machte sie blitzschnell eine Bemerkung. »Sie hat genau gemerkt, wenn jemand eine psychische Schwäche zeigte. In dem Moment hat sie etwas gesagt. Das hat auch immer gestimmt. Sie war eine hervorragende Psychologin.«
Manchmal, erinnerte sich Baumann, habe sie Baader gebremst, ihn besänftigt. »Laß mal, Baby«, sagte sie dann, »das kannst du nicht so sagen.«
Vor allem Andreas Baader war inzwischen ein Nervenbündel. Manchmal erschien er bei den verabredeten Treffen vollkommen unter dem Einfluß von »Speed«, Aufputschmitteln. Er trank übermäßig viel Kaffee und rauchte ununterbrochen, am liebsten die starken »Celtic«. Bommi Baumann: »So saß er nächtelang, redete, ohne abzusetzen, von Adam und Eva bis Josef Stalin. In den Mundwinkeln standen ihm Speicheltropfen. Fast ständig raufte er sich beim Reden die Haare, zog rechts und links über den Schläfen an den blondierten Strähnen, drehte und zog, zog und drehte, bis ihm kleine blonde Hörner über der Stirn standen. Er war immer nur Vortrag, sie hat auch mal gelacht.«
Bei einem dieser nächtlichen Treffen nahm Gudrun Ensslin ein Buch, in dem Bommi gelesen hatte, in die Hand und hielt es hoch. Sein Titel: »Name Viktor Serge. Beruf Revolutionär«.
»Ein Buch«, sagte sie knapp, voll Verachtung in der Stimme. Dann ließ sie es zu Boden fallen.
30. »Einen Eimer Teer über die Fresse«
Baader und Ensslin blieben in Berlin. Dort waren auch Brigitte Mohnhaupt und deren Freund für die RAF aktiv. Eine Reihe von Bekannten aus der Zeit der Studentenbewegung half bei der Wohnungsbeschaffung, betreute inhaftierte RAF -Mitglieder und machte sich sonstwie nützlich. Auch Edelgard G., 27 Jahre alt, geschieden, Mutter eines fünfjährigen Sohnes.
Zusammen mit ihrer Freundin Katharina Hammerschmidt hatte sie nach einigen Treffen mit Baader und Ensslin Wohnungen für die Gruppen gemietet. Sie wollte jedoch nicht in die Illegalität und begründete das mit der Sorge um ihr Kind.
»Meine eigene jetzige Tätigkeit hat erst dazu geführt, meine wahre Identität zu erkennen«, sagte Ensslin, die ihren Sohn verlassen hatte. Edelgard verstand sie nicht.
Schon nach kurzer Zeit wurde Edelgard und Katharina die Arbeit für die RAF lästig. Die von ihnen besorgten Wohnungen waren ihren Auftraggebern häufig nicht gut genug. Katharina Hammerschmidt schilderte Baader bei einem Treffen ihre Bedenken gegen das illegale Leben.
Baader antwortete: »Diesen Job kann man nur aus einer tiefsten Freiwilligkeit heraus machen.« Als sie ihrer Freundin Edelgard davon berichtete, fügte sie hinzu: »Vor ein paar Monaten habe ich für mich selbst eine Wohnung gesucht und mir die Füße dabei wundgelaufen. Der einzige Unterschied zwischen damals und heute besteht darin, daß ich es jetzt aus tiefster Freiwilligkeit tue.«
Die beiden Frauen wollten Anfang November 1971 ihre Hilfstätigkeit beenden. Am 10 . November holte Edelgard ihren Sohn aus dem Kinderladen ab. Als sie sich ihrer Wohnung in der Pariser Straße näherte, sah sie dort ein großes Polizeiaufgebot. Sie parkte ihren Wagen und traf auf dem Hof einen Nachbarn. »Willi, draußen steht ein großes grünes Auto für dich«,
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