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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Feigheit verborgen halten? Wenn du auch lieber tot bist als für immer eine Sklavin, so hast du doch nicht das Recht, uns zu beunruhigen.
    Ich weiß: Du willst, daß wir alle frei werden; aber werden wir uns wohler fühlen?
    Den geprügelten Feldsklaven auf den Plantagen in Asien, Afrika und Südamerika, die ihre Aufseher erschlugen, mag Gott vergeben.
    Wir Haussklaven haben nicht das Recht, die Herren, die jene Aufseher mit den Ochsenziemern ausschicken, zu verjagen.
    Ihr Haus in Ordnung zu halten ist unsere Pflicht.
    Kind, versündige dich nicht. Tu Buße, mag die Strafe der Herrschaft auch fürchterlich sein. Es ist Gottes Wille.
    Sei Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über dich hat.
    Ulrike, gib auf!
    Verflucht der Gott, der Sklaven zu seiner Zerstreuung schuf.«
     
    Im Papierkorb am Wittenbergplatz lag Ulrike Meinhofs Antwort an ihre Pflegemutter Renate Riemeck.

33. Der BKA -Präsident und seine Computerwelt
    In jenem Herbst 1971 , als die RAF eineinhalb Jahre alt war, als es zwei Tote gegeben hatte, die Hälfte der ersten Generation in Haft war, als neue Leute sich dem Untergrundkampf anschlossen, erhielt das Bundeskriminalamt in Wiesbaden einen neuen Präsidenten.
    Sein Name war Horst Herold, und er wurde zum Symbol für die Jagd nach den RAF -Terroristen, so wie der Name Baader für die RAF selbst stand. Fast zehn Jahre lang leitete Horst Herold das BKA , baute es von einer unbedeutenden polizeilichen Koordinierungsstelle des Bundes zu einem mächtigen Fahndungsapparat auf.
    Nach seiner Pensionierung im März 1981 zog Herold auf das Gelände einer Polizeikaserne im süddeutschen Raum in ein bescheidenes Fertighaus, geschützt durch einen Zaun und einen schußsicheren Erdwall. Im Keller installierte er eine kleine Computeranlage, auf der er weiterhin Programme zur Verbrechensbekämpfung entwickelte. Wenn er seine Fluchtburg verließ, wurde er begleitet von mit Maschinenpistolen bewaffneten BKA -Beamten, die ihn vor Anschlägen schützen sollten, denn noch im Ruhestand galt Horst Herold als eine der meistgefährdeten Personen der Bundesrepublik. Für die gepanzerte Limousine mußte er Kilometergeld an den Bund bezahlen.
    Herold fühlt sich als der Mann, der den Krieg der siebziger Jahre gegen den Terrorismus gewonnen hat, und er fühlt sich von Politikern und Öffentlichkeit schlecht und undankbar behandelt, vor allem aber mißverstanden. Das von ihm aufgebaute Computernetz des BKA , für manche die Inkarnation eines Orwellschen Überwachungsstaates, war aus seiner Sicht nichts anderes als ein Instrument der »gesellschaftssanitären Aufgabe« der Polizei.
    Mit Andreas Baader, der sein Hauptgegner war in den Jahren des »innerstaatlichen Krieges«, verband ihn fast so etwas wie eine Haßliebe. Manchmal rutschten ihm Sätze heraus wie: »Baader war der einzige, der mich jemals richtig verstanden hat. Und ich bin der einzige, der ihn jemals richtig verstanden hat.« Und er verwies, fast ein wenig stolz, darauf, daß Baader seine, Horst Herolds, Schriften über Terrorismusbekämpfung zur Pflichtlektüre der RAF gemacht hatte.
    Tatsächlich gab es zuweilen bemerkenswerte Übereinstimmungen in der Einschätzung des Kampfes von Terroristen und Staatsapparat zwischen Herold und der RAF . So zitierte der Verteidiger Otto Schily im Stammheimer Verfahren eine Rede Horst Herolds auf dem »Hessenforum«, während des Prozesses gehalten, als Beleg für die RAF -These, daß es in dem Verfahren nicht um einen normalen Straffall gehe, sondern um eine militärisch-politische Auseinandersetzung zwischen dem bürgerlich-kapitalistischen Staat und seinen radikalsten Gegnern.
    Herold hatte gesagt: »Die erste Frage ist, ob der Terrorismus in seinen Erscheinungsformen in Deutschland, aber auch in der ganzen Welt ein Produkt der Hirne der Täter ist, der Baaders, der Meinhofs, ein Produkt der kranken Hirne, wie man ja auch behauptet, oder ob der Terrorismus eine Widerspiegelung gewisser gesellschaftlicher Situationen in der westlichen, auch in der östlichen Welt ist, so daß der Terrorismus im Überbau lediglich die Probleme reflektiert, die objektiv bestehen. Dabei wäre zu erörtern, wer dann vorrangig den Terrorismus zu bekämpfen hat – die Polizei oder die Politik. Meiner Meinung nach sind es die politischen Mächte, die die Verhältnisse zu ändern haben, unter denen Terrorismus entstehen kann … Dann nützt es nichts, auf Köpfe einzuschlagen oder, wie es manche fordern, Köpfe abzuschlagen, sondern dann gilt es, auf

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