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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Margrit Schiller später: »Gerhard, der schon vor Ulrike lief, stoppte, drehte sich mit der Waffe in der Hand um und schoß. Der Polizist stürzte, und sein Kollege, der den dreien nachgehetzt war, warf sich zu Boden. Ich hörte weitere Schüsse, dann waren Ulrike und Gerhard im Dunkeln verschwunden. Ich sah, was geschah, und konnte es nicht fassen: schon wieder die gleiche Situation wie vier Wochen vorher bei der Schießerei in Freiburg.«
    Lemke, am Fuß verwundet, humpelte zu seinem Kollegen, der in einer Blutlache lag und »Hilfe, Hilfe« flüsterte. Lemke fragte: »Norbert, was ist?« Aber er bekam keine Antwort mehr. Der 32 jährige Polizeimeister Norbert Schmid war tot.
    Lemke schleppte sich zum Haus Heegbarg  61 und klingelte. Niemand rührte sich. Dann schrie er: »Hilfe, Polizei!« Nichts.
    Margrit Schiller lief zum Polizeiwagen, in dem Lemke den Schlüssel stecken gelassen hatte, und raste davon. Nach zwei Kilometern ließ sie den Ford stehen.
    Kurz darauf wurde eine Großfahndung eingeleitet. Um halb drei Uhr morgens fiel der Besatzung eines Funkstreifenwagens eine Frau auf, die nicht weit entfernt vom Schauplatz der Schießerei in einer Telefonzelle stand. Die Beamten zogen ihre Pistolen und verlangten den Ausweis. »Ich dachte schon, ihr wollt mich ficken«, sagte die Frau und griff zu ihrer schwarzen Handtasche. Die Beamten entrissen ihr die Tasche und fanden darin eine Pistole vom Kaliber neun Millimeter und den Schlüssel des Streifenwagens.
    Auf dem Polizeipräsidium blieb die Frau stumm. Auf Fragen schüttelte sie nur den Kopf. Ihr Personalausweis lautete auf den Namen Dörte G. Doch die Kripobeamten wußten längst, wen sie gefaßt hatten. Gegen fünf Uhr morgens unterschrieb die Frau ein Formular – mit ihrem richtigen Namen: Margrit Schiller. Als sie den Fehler bemerkte, fing sie an zu weinen.
    Am nächsten Morgen um 11 . 00 Uhr wurde sie der Presse vorgeführt. Eine Beamtin hielt sie im Würgegriff, ein Kollege hatte ihre Beine gepackt. Der Rock war hochgerutscht. Die Fotografen fotografierten, das Fernsehen filmte. Ein Reporter rief: »Haare aus dem Gesicht!« Daraufhin riß ein Beamter die Haare nach oben. Am Abend lief die Szene bundesweit im Fernsehen.
    Margrit Schiller wurde in Haft genommen, die Fahndung nach dem Paar fortgesetzt.
    Die Hamburger Polizisten knüpften Trauerflore an die Antennen ihrer Streifenwagen. Bürgermeister Schulz erklärte: »Man sollte jetzt endlich aufhören, falls es sich erweist, daß die Baader-Meinhof-Gruppe für diesen Mord verantwortlich zu machen ist, diese Gruppe als Zusammenschluß mit politischen Zielsetzungen zu sehen. Dieses ist eine rein kriminelle Gruppe im wahrsten Sinne des Wortes.«
    Für Hinweise, die zur Ergreifung des Mörders führen könnten, wurden 10   000  Mark Belohnung ausgesetzt.
     
    Daß Margrit Schiller den Polizeibeamten nicht getötet hatte, wurde schnell klar. Aus ihrer Pistole, das ergaben kriminaltechnische Untersuchungen, war in letzter Zeit nicht geschossen worden. Polizeimeister Lemke gab auch zu Protokoll, daß es ein Mann gewesen sei, der auf seinen Kollegen gefeuert hatte. Zunächst fiel der Verdacht auf den flüchtigen Holger Meins. Dann aber identifizierte Lemke nach Fahndungsfotos Gerhard Müller als den Todesschützen. Die Frau, die mit ihm zusammen war, sollte Irmgard Möller gewesen sein. In Wirklichkeit war es Ulrike Meinhof.
     
    Während die Hamburger Polizei den Stadtteil Poppenbüttel durchkämmte, saßen die gesuchten RAF -Mitglieder in der Wohnung am Heegbarg. Unmittelbar nach der Schießerei, so sagten einige von ihnen später, sei Gerhard Müller »praktisch mit dampfendem Revolver« hereingestürmt und habe sich damit gebrüstet, »einen Bullen umgelegt« zu haben.
    In der panischen Angst aller vor Entdeckung übernahm Manfred Grashof »als Dienstältester« die Leitung der »Sicherheitsmaßnahmen«. Drei Tage und drei Nächte blieben sie in der Wohnung und fühlten sich wie in einer Falle.

28. Der Kronzeuge
    Mehr als dreieinhalb Jahre später wurde Irmgard Möller und Gerhard Müller der Prozeß gemacht. Die »Morgenpost« in ihrer Schlagzeile: »Heute in Hamburg vor Gericht – Der Meinhof-Geliebte, der einen Polizisten erschoß«.
    Es sah nicht gut aus für den Angeklagten Gerhard Müller, denn der Polizeimeister Lemke hatte aus nächster Nähe beobachtet, wie sein Kollege Schmid erschossen worden war. Zudem waren Müllers Fingerabdrücke in der Wohnung am Heegbarg gefunden worden, in

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