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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Mitbestimmung«.
     
    Ulrike Meinhof war nach dieser mißlungenen Besetzung sehr einsam geworden. Ihr alter Freund, der Schriftsteller Peter Rühmkorf, den sie einmal »den gerechtesten Menschen der Welt« genannt hatte, forderte alle bekannten linken Publizisten, die für »konkret« gearbeitet hatten, dazu auf, »den Terroraktionären zu bedeuten, was sie sind: Agents provocateurs«.

21. Baader, Ensslin und die Sozialarbeit
    Die vier Brandstifter wurden am 13 . Juni 1969 aus dem Gefängnis entlassen. Sie hatten vierzehn Monate ihrer Strafe abgesessen; etwas mehr als ein Drittel. Im November sollte über die Revision ihrer Urteile entschieden werden, bis dahin durften sie auf freiem Fuß bleiben.
    Sie trafen sich in einer Wohnung in der Frankfurter Feuerbachstraße. Baader war aggressiv und rasend eifersüchtig. Immer wieder schrie er Gudrun an: »Du hast mit der Tochter der Anstaltsleiterin gefickt. Gib es zu.« Schweigend ertrug Gudrun seinen Zorn. Tatsächlich hatte sie sich in der Haft mit Nele, der Tochter der Anstaltsleiterin, angefreundet, die im Gefängnis Sprachkurse gab. Die Wohnungsbesitzerin später: »So ein Kotzbrocken, der Baader. Gudrun hat sich das bieten lassen. Die sagte einfach nichts.«
    Die freigelassenen Brandstifter kamen im Atelier eines Comiczeichners aus der linken Szene unter. Der Kommunarde Dieter Kunzelmann und dessen damalige Freundin, die spätere Terroristin Ina Siepmann, reisten aus Berlin zur Entlassungsparty an, und zur Feier des Tages setzten sie sich eine Spritze mit Opiumtinktur. Die Nadel war offenbar verunreinigt, denn kurz danach erkrankte das Pärchen an Hepatitis, Gelbsucht.
    In Frankfurt hatten sich gerade Studenten aus dem Umfeld des SDS mit den Zuständen in Erziehungsheimen beschäftigt. Mit Flugblättern und in Gesprächen versuchten sie, die Jugendlichen in den Heimen zu politisieren.
    In den Randgruppen der Gesellschaft sahen sie Potential für gesellschaftliche Veränderungen. Jene, die kein behütetes Elternhaus hatten, die von den Institutionen des Staates verwaltet wurden, die in den Erziehungsheimen der tatsächlichen oder vermeintlichen Willkür autoritärer Erzieher ausgesetzt waren, sollten lernen, sich zu wehren.
    Im Zuge der außerparlamentarischen Bewegung waren eine ganze Reihe von Jugendlichen aus hessischen Heimen ausgerückt und lebten mehr oder weniger illegal. Studenten hatten sich um sie gekümmert, ihnen Wohnungen verschafft, versuchten, sie außerhalb der staatlichen Fürsorgeeinrichtungen zu betreuen.
    Gerade aus dem Gefängnis entlassen, tauchten Baader und Ensslin bei den »Lehrlingskollektiven« auf. Sie konnten andere Erfahrungen vorweisen als die Theoretiker von der Universität. Baader war einer von ihnen, wenn auch älter, und verlangte keine Anpassung an bürgerliche Normen. Er wollte die Jugendlichen nicht unbedingt in eine geregelte Arbeit pressen und nicht ständig mit ihnen über Politik diskutieren.
    »Die Baader-Gruppe«, meinte später einer, der dabei war, »besticht die Lehrlinge mit Abenteuerspielchen, mit wildem, aufregendem Autofahren oder Aktiönchen gegen alles und jedes, was einem gerade über den Weg läuft. In einem Café gegen einen Kellner, gegen diesen und jenen ›liberalen Arsch‹. Bei den Baaders ist immer was los. Deshalb zieht es alle Jugendlichen dorthin.«
    Baader und Ensslin übernahmen auch gegenüber den Behörden die Führung des Lehrlingsprojektes. Dem Leiter des Frankfurter Stadtjugendamtes, Herbert Faller, fiel vor allem Gudrun als eine »außergewöhnliche Frau mit pädagogischem Impetus« auf, die »echte Zuneigung zu den Jugendlichen entwickelte«.
    Eine rasch wachsende Zahl entlaufener Fürsorgezöglinge hatte sich um die entlassenen Kaufhausbrandstifter gruppiert. Gudrun versuchte immer wieder, von den Behörden finanzielle Unterstützung für sie zu bekommen. Man dürfe sie nicht in der Illegalität lassen, meinte sie und beschwor die Gefahr eines Abgleitens in die Drogenszene und in die Kriminalität. Als die Verhandlungen nicht schnell zu einem Ergebnis führten, besetzten Baader und Ensslin eines Tages mit ihren Schützlingen das Büro des Jugendamtleiters.
    Daraufhin besorgte Faller einige Wohnungen, in denen jeweils neun Jugendliche gemeinsam untergebracht wurden. Insgesamt 33 der entlaufenen Fürsorgezöglinge konnten in solchen Wohnkollektiven leben. Manche davon gingen auf Abendschulen und schafften später auch ihren Realschulabschluß. Nebenbei sammelten Baader und Ensslin Geld für

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