Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
selbst vorgenommen und sich mit ihrer eigenen Rolle als Kolumnistin kritisch auseinandergesetzt: »Was erwartet der Geldgeber von seinem Kolumnisten? Daß er sich ein eigenes Publikum erschreibt, möglichst eins, das ohne ihn die Zeitung nicht kaufen würde. Das ist der Profitfaktor. Ein Kolumnist, der das nicht leistet, wird über kurz oder lang gefeuert. Die Kehrseite der Kolumnisten-Freiheit ist die Unfreiheit der Redaktion.«
Natürlich wollte Röhl die Kolumnistin Ulrike Meinhof nicht verlieren und versuchte, aus der Not eine Tugend zu machen. Er druckte die Kolumne und kündigte sie auf der Titelseite mit großen Buchstaben an: »Ulrike Marie Meinhof: Ist ›konkret‹ noch zu retten?«
Im April 1969 beendete Ulrike Meinhof ihre Mitarbeit bei »konkret«. Sie schrieb an die »Frankfurter Rundschau«: »Ich stelle meine Mitarbeit jetzt ein, weil das Blatt im Begriff ist, ein Instrument der Konterrevolution zu werden, was ich durch meine Mitarbeit nicht verschleiern will, was zu verhindern im Augenblick nicht möglich ist. Ich gebe den Kampf um die Zeitung auf, um folgender Gefahr vorzubeugen, daß wir durch unsere Mitarbeit das Links-Image der Zeitung aufpolieren, ihr einen neuen Vertrauenskredit verschaffen. Eine Zeitung, die, wenn wir sie brauchen werden, sich gegen uns wenden wird. Mit einer Auflage, der wir dann nichts entgegenzusetzen haben werden als unsere Verzweiflung und unser Entsetzen über den Gebrauch des Instrumentes, das wir aufgebaut haben.«
Die Zeitschrift »konkret« war von den Auseinandersetzungen in der linken Protestbewegung nicht verschont geblieben. Die Solidarität nach dem Attentat auf Rudi Dutschke und die großen Demonstrationen gegen die Notstandsgesetze in Bonn waren vorbei. Es bildeten sich allerlei linke Zirkel, neue Parteien und Diskussionsrunden, die sich bald ausschließlich mit sich selbst beschäftigten und im Genossen von gestern den größeren Gegner ausmachten als im noch vorher gemeinsam bekämpften Springer oder Strauß.
»konkret«, das schien ein klassisches Beispiel dafür, wie ein Verleger, Klaus Rainer Röhl, linke Politik vermarktet, für die andere ihre Köpfe vor die Polizeiknüppel gehalten hatten.
Am 5 . Mai 1969 lud Ulrike Meinhof zu einer Diskussion über »konkret« in den »Republikanischen Club« in Berlin ein. Bei einer Diskussion sollte es diesmal nicht bleiben. Es wurde vorgeschlagen, den Verlag zu besetzen und den Besitzer der Zeitschrift mit den Forderungen kompromißloser linker Journalisten zu konfrontieren. Ulrike Meinhof hatte mit vielen telefoniert und gesprochen, um sich Unterstützung für die Aktion zu sichern.
Am Abend darauf versammelten sich an verschiedenen Plätzen Berlins kleine Gruppen, die in einem Autokonvoi nach Hamburg aufbrechen wollten, um zu verhindern, daß die nächste Ausgabe von »konkret« erscheinen konnte.
Röhl hatte zwei Tage zuvor von der geplanten Aktion erfahren und reagierte. Er ließ den Verlag räumen und entwarf ein Flugblatt: »›konkret‹ geht in den Untergrund.«
Gegen 10 . 00 Uhr trafen die Berliner Aktionisten bei der »konkret«-Redaktion am Hamburger Gänsemarkt ein. Presse und Polizei waren schon da. Die Staatsmacht, nicht von »konkret« gerufen, blockierte das Treppenhaus. Die Berliner verteilten ein Flugblatt an die »konkret«-Redakteure:
Ȇberm Schreibtisch Che Guevara,
unterm Schreibtisch McNamara.
Ihr fahrt mit der Straßenbahn,
der Chef reist mit ’nem Porsche an.
Macht Schluß mit dem konkreten Mief
und schafft ein APO -Kollektiv.«
Frustriert standen die gescheiterten Redaktionsbesetzer auf der Straße herum. Dann gab jemand die Devise aus: »Auf nach Blankenese!« Dort hatten Röhl und Ulrike Meinhof eine schmucke Backsteinvilla erworben, eingerichtet nach Röhls Geschmack mit plüschigem, altdeutschem Mobiliar. Die Berliner Truppe zog vor das Grundstück, sprang in den Garten und drang in das Haus ein. Möbel wurden aus dem Fenster geworfen, und einer der linksradikalen Vandalen pinkelte ins Ehebett. Einige der Beteiligten behaupteten allerdings später, der gelbe Fleck auf dem Laken sei das Ergebnis einer aufgelösten Vitamin-C-Tablette gewesen, die ins Bett geschüttet worden war. Während die Aktion noch lief, tauchte Ulrike Meinhof vor ihrem ehemaligen Wohnhaus auf, an dem sie immer noch einen Anteil hielt. Ratlos stand sie im Garten, neben einem Berliner Schriftsteller, der ein Transparent in die Kamera hielt: »konkret-Lohnschreiber fordern
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